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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Verletzungen sie sich beibrachten, hinausgeschoben wurde.
    Der erste Teil der Route führte sie nicht einmal nach oben, sondern wand sich durch eine Reihe kleinerer Höhlen, und rings um sie herum dröhnte Wasser in den Felsen. Sie kamen durch einen Tunnel, der eindeutig bis vor kurzem ein
    Wasserlauf gewesen war. Schlamm reichte ihnen bis zu den Schenkeln und tropfte von der Decke auf ihre Köpfe herunter, 692
    wofür sie nach einer Weile dankbar waren, als sie schließlich an einen Punkt kamen, wo es ihnen schwergefallen wäre, sich durch den schmalen Tunnel zu zwängen, hätte der Schlamm sie nicht schlüpfrig gemacht. Nach diesem Punkt ging es aufwärts, anfangs eine schwache Steigung, doch dann zunehmend steiler.
    Jetzt war das Geräusch des Wassers zwar schwächer geworden, aber dafür war eine neue Bedrohung in den Wänden zu hören: das Knirschen von Erde auf Erde. Niemand sagte etwas. Sie waren zu erschöpft, um kostbaren Atem für das Offensichtliche zu verschwenden, nämlich daß der Boden, auf dem der Grove erbaut war, sich im Umsturz befand. Je höher sie kamen, desto lauter wurden die Geräusche, und manchmal fiel Staub von der Tunneldecke in der Dunkelheit auf sie herab.
    Hotchkiss spürte die Brise als erster.
    »Frischluft«, sagte er.
    »Natürlich«, sagte Jaffe.
    Tesla drehte sich zu Grillo um. Ihre Sinne waren so kaputt, daß sie ihnen nicht mehr traute.
    »Spürst du es?« sagte sie zu ihm.
    »Ich glaube«, antwortete er mit kaum hörbarer Stimme.
    Die Aussicht verlieh ihnen Flügel, obwohl das
    Vorankommen immer schwerer wurde und die Tunnel an
    manchen Stellen buchstäblich bebten, so gewaltig waren die Erdverschiebungen um sie herum. Doch mittlerweile wurden sie von mehr als nur einem Hauch frischer Luft gelockt; jetzt sahen sie schwachen Lichtschein über sich, der nach und nach immer mehr zu Gewißheit wurde, bis sie tatsächlich den Fels sehen konnten, an dem sie hinaufkletterten. Jaffe zog sich mit einer Hand und einer beinahe schwebenden Anmut daran
    empor, als würde sein Körper so gut wie nichts wiegen. Die anderen kletterten ihm hinterher und waren trotz des
    Adrenalins, das durch ihre erschöpften Körper gepumpt wurde, kaum imstande, mit ihm Schritt zu halten. Das Licht wurde heller, und das trieb sie voran. Sie blinzelten in die Helligkeit.
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    Und immer noch wurde es heller und heller. Sie kletterten dem Licht, jetzt von neuem Eifer erfüllt, entgegen, und sie vergaßen jegliche Vorsicht bei der Wahl ihres Halts für Hände und Füße.
    Teslas Gedanken waren ein wirres Bündel unzusammenhängender Bilder, mehr Tagträume als bewußtes Denken. Sie war so erschöpft, daß sie sie nicht auf die Reihe bringen konnte.
    Aber sie kehrten immer wieder zu den fünf Minuten zurück, die sie Zeit gehabt hatte, das Rätsel des Medaillons zu lösen.
    Warum, wurde ihr erst klar, als der Himmel schließlich zu sehen war: Dieser Aufstieg aus der Dunkelheit war, als würden sie aus der Vergangenheit emporklettern; und auch aus dem Tod. Vom Kaltblütigen zum Warmblütigen. Vom Blinden und Unmittelbaren zum Weitsichtigen. Sie dachte vage: Darum klettern Männer unter die Erde. Damit sie sich erinnern, warum sie an der Sonne leben.
    Ganz zuletzt, als die Helligkeit von oben überwältigend wurde, trat Jaffe beiseite und überließ Hotchkiss die Führung der Gruppe.
    »Haben Sie es sich anders überlegt?« fragte Tesla.
    Aber sein Gesicht drückte mehr als Zweifel aus.
    »Wovor haben Sie Angst?« fragte sie ihn.
    »Vor der Sonne«, sagte er.
    »Geht ihr beiden weiter?« sagte Grillo.
    »Einen Moment noch«, sagte Tesla zu ihm. »Geh du voran.«
    Er drückte sich an ihnen beiden vorbei und erklomm die letzten paar Schritte bis zur Oberfläche. Hotchkiss war schon dort.
    Sie hörte, wie er vor sich hin lachte. Es fiel ihr schwer, das Vergnügen hinauszuschieben, sich zu ihnen zu gesellen, aber sie waren nicht so weit gekommen, um ihre Beute jetzt zurückzulassen.
    »Ich hasse die Sonne«, sagte Jaffe.
    »Warum?«
    »Weil sie mich haßt.«
    »Sie meinen, sie tut Ihnen weh? Sind Sie eine Art von Vam-694
    pir?«
    Jaffe blinzelte zum Licht hinauf.
    »Fletcher hat den Himmel geliebt.«
    »Nun, vielleicht sollten Sie etwas von ihm lernen.«
    »Es ist zu spät.«
    »Nein, das ist es nicht. Sie haben eine Menge Mist gebaut, aber Sie haben die Möglichkeit, es wieder gutzumachen. Es ist Schlimmeres auf dem Weg als Sie. Denken Sie darüber nach.«
    Er antwortete nicht.
    »Sehen Sie«, fuhr sie fort, »der

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