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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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er.
    »Nein.«
    »Das ist ein alter Fehler, nicht? So einfach ist es nicht ganz.«
    »Aber es ist doch überdeutlich ein menschliches Wesen!«
    sagte sie.
    »Sie sehen immer noch das Symbol.«
    »Scheiße. Das stinkt mir! Und Sie sind so verdammt scha-denfroh. Helfen Sie mir.«
    »Die Zeit ist abgelaufen!«
    »Ich bin dicht dran. Wirklich dicht dran, oder nicht?«
    »Sehen Sie, wie es ist? Sie kommen nicht darauf. Nicht einmal mit etwas Hilfe von Ihren Freunden.«
    »Ich habe keine Hilfe bekommen. Hotchkiss kann es nicht.
    Grillo hat den Verstand verloren. Und Witt...«
    Witt liegt im Wasser, dachte sie. Aber sie sagte es nicht, denn das Bild war ihr plötzlich mit der Wucht einer Offenbarung ins Gedächtnis gekommen. Er lag mit ausgebreiteten Armen und offenen Händen im Wasser.
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    »Mein Gott«, sagte sie. »Es ist die Essenz. Es sind unsere Träume. Nicht Fleisch und Blut sind am Kreuzweg, es ist der Verstand.«
    Jaffes Lächeln verschwand, das Licht in seinen Augen wurde heller; eine paradoxe Helligkeit, die nicht leuchtete, sondern das Licht im Rest der Höhle in sich aufzunehmen schien.
    »So ist es, oder nicht?« sagte sie. »Die Essenz ist im Mittelpunkt von allem. Es ist der Kreuzweg.«
    Er antwortete ihr nicht. Was auch nicht nötig war. Sie wußte ohne jeden Zweifel, daß sie recht hatte. Die Gestalt schwebte; in der Essenz, die Arme ausgebreitet, während er, sie oder es im Meer der Träume träumte. Und dieses Träumen war
    irgendwie der Ort, wo alles seinen Ursprung hatte: die Ursache.
    »Kein Wunder«, sagte sie.
    Jetzt sprach er wie aus dem Grab.
    »Kein Wunder, was?«
    »Kein Wunder, daß Sie es nicht tun konnten«, antwortete sie.
    »Als Ihnen klar wurde, was Sie mit der Essenz vor sich hatten.
    Kein Wunder.«
    »Sie bedauern dieses Wissen vielleicht«, sagte er.
    »Ich habe in meinem Leben noch nie bedauert, etwas zu wissen.«
    »Sie werden Ihre Meinung ändern«, sagte er. »Das verspreche ich Ihnen.«
    Sie gestattete ihm seine sauren Trauben. Aber abgemacht war abgemacht, und sie hatte vor, darauf zu bestehen.
    »Sie haben gesagt, Sie würden mit uns kommen.«
    »Ich weiß.«

»Sie kommen doch, oder nicht?«
    »Es ist sinnlos«, sagte er.
    »Versuchen Sie nicht, sich rauszureden. Ich weiß so gut wie Sie, was hier auf dem Spiel steht.«
    »Und was sollen wir dagegen tun? Was schlagen Sie vor?«
    »Wir kehren zum Haus von Vance zurück und versuchen,
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    das Schisma wieder zu schließen.«
    »Wie?«
    »Vielleicht müssen wir den Rat eines Experten einholen.«
    »Es gibt keine.«
    »Es gibt Kissoon«, sagte sie. »Er schuldet uns einen
    Gefallen. Er schuldet uns sogar mehrere. Aber zuerst müssen wir hier raus.«
    Jaffe sah sie lange an, als wäre er nicht sicher, ob er sich fügen sollte oder nicht.
    »Wenn Sie es nicht tun«, sagte sie, »enden Sie hier unten in der Dunkelheit, wo Sie - wie lange? - zwanzig Jahre verbracht haben. Die Iad werden durchbrechen, und Sie sind hier, unter der Erde, und wissen, daß der Planet übernommen worden ist.
    Vielleicht finden sie Sie gar nicht. Sie essen nicht, oder? Nein, Sie haben das Essen überwunden. Sie können vielleicht hundert, vielleicht tausend Jahre überleben. Aber Sie werden allein sein. Nur Sie und die Dunkelheit und das Wissen, was Sie angerichtet haben. Klingt Ihnen das verlockend genug? Ich persönlich würde lieber bei dem Versuch sterben, die Invasion zu verhindern...«
    »Sie sind nicht sehr überzeugend«, sagte er. »Ich
    durchschaue Sie. Sie sind ein geschwätziges Flittchen, aber die Welt ist voll davon. Sie halten sich für schlau. Aber das sind Sie nicht. Sie haben nicht die geringste Ahnung, was auf uns zukommt. Und ich? Ich kann es sehen, ich habe die Augen meines verfluchten Sohns. Er nähert sich dem Metakosm, und ich kann spüren, was vor ihm liegt. Kann es nicht sehen. Will es auch nicht. Aber ich spüre es. Und ich will Ihnen sagen, wir haben nicht die geringste Chance.«
    »Ist das ein letzter Versuch, sich zu drücken?«
    »Nein. Ich komme mit. Und sei es nur, um Ihren
    Gesichtsausdruck zu sehen, wenn Sie scheitern; darum komme ich mit.«
    »Dann gehen wir«, sagte sie. »Sie kennen einen Weg hier 689
    heraus?«
    »Ich kann einen finden.«
    »Gut.«
    »Aber vorher...«
    »Ja?«
    Er streckte die weniger schlimm verletzte Hand aus.
    »Mein Medaillon.«

    Bevor sie mit dem Aufstieg anfangen konnten, mußte sie Grillo aus einer Katatonie locken. Als sie nach ihrer Unterhaltung mit Jaffe zurückkam, saß er immer noch mit

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