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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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den Fingern und sah zu Grillo, der sich nicht bewegt hatte.
    »Er ist völlig im Eimer«, sagte Hotchkiss. »Klaustrophobie.«
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    Sie ging trotzdem zu ihm. Er sah nicht mehr zur Decke und auch nicht mehr zur Leiche. Er hatte die Augen geschlossen.
    Seine Zähne klapperten.
    »Grillo.«
    Er klapperte weiter.
    »Grillo. Ich bin es, Tesla. Ich brauche deine Hilfe.«
    Er schüttelte den Kopf; eine knappe, heftige Bewegung.
    »Ich muß wissen, was das hier bedeutet.«
    Er machte nicht einmal die Augen auf, um herauszufinden, wovon sie sprach.
    »Vielen Dank, Grillo«, sagte sie.
    Auf dich allein gestellt, Baby. Keine Hilfe zu erwarten.
    Grillo kapiert es nicht, Grillo ist weggetreten; und Witt treibt tot im Wasser. Sie sah kurz zu der Leiche. Gesicht nach unten, Arme ausgebreitet. Armer Kerl. Sie hatte ihn überhaupt nicht gekannt, aber er hatte einen anständigen Eindruck gemacht. Sie wandte sich ab, öffnete die Hand und sah das Medaillon wieder an, aber aufgrund der Tatsache, daß die Sekunden verstrichen, war ihre Konzentration völlig im Arsch.
    Was bedeutete es?
    Die Gestalt in der Mitte war ein Mensch. Die Formen, die davon ausgingen, nicht. Waren sie möglicherweise Bekannte?
    Oder Kinder der zentralen Figur? Das schien logischer zu sein.
    Zwischen den gespreizten Beinen befand sich eine Kreatur wie ein stilisierter Affe; darunter etwas Reptilienhaftes; darunter...
    Scheiße! Es waren keine Kinder, es waren Vorfahren. Devo-lution. Der Mensch in der Mitte; darunter der Affe; darunter Echse, Fisch und Protoplasma - ein Auge, oder ein Einzeller.
    Die Vergangenheit ist unter uns, hatte Hotchkiss einmal gesagt.
    Vielleicht hatte er recht gehabt.
    Angenommen, diese Vermutung war zutreffend, was war
    dann mit den Zeichen auf den drei anderen Balken? Über der Gestalt schien etwas mit riesigem Kopf zu tanzen. Darüber dieselbe Gestalt, nur vereinfacht; darüber wieder eine Vereinfa-685
    chung, die ihren Abschluß wieder in einem Auge - oder einem Einzeller - fand, was zu dem Ebenbild ganz unten paßte. Im Licht der ersten Interpretation war das nicht so schwer zu verstehen. Unten waren Bilder des Lebens, die zum Menschen führten, oben bestimmt solche, die über den Menschen hinausführten, wenn die Rasse zum perfekten geistigen Dasein gelangte.
    Zwei von vier.
    Wie lange hatte sie noch Zeit?
    Denk nicht an die Zeit, sagte sie zu sich. Lös einfach das Rätsel.
    Von rechts nach links auf dem Medaillon war die Abfolge keineswegs so einfach wie von Süden nach Norden. Ganz links befand sich ein Kreis mit einer Art Wolke darin. Daneben, nä-
    her beim ausgestreckten Arm der Gestalt, ein in vier Abschnitte unterteiltes Quadrat; noch näher etwas, das wie ein Blitz aussah; dann eine Art Klecks - Blut von der Hand? -, dann die Hand selbst. Auf der anderen Seite eine Reihe noch
    unverständlicherer Symbole. Wieder ein möglicher Klecks aus der Hand der Gestalt; dann eine Welle oder vielleicht Schlangen - beging sie hier die Sünde von Jaffe, war sie zu buchstäblich? Dann etwas, das man nur als Krakel beschreiben konnte, als wäre ein Zeichen ausgekratzt worden, und
    schließlich der vierte und letzte Kreis, ein ins Medaillon gebohrtes Loch. Vom Stofflichen zum Nichtstofflichen. Von einem Kreis mit Wolke zu leerem Raum. Was, zum Teufel, bedeutete das? Tag und Nacht? Nein. Vielleicht das Bekannte und das Unbekannte? Das schien logischer zu sein. Beeil dich, Tesla, beeil dich. Was war rund und wolkig und bekannt?
    Rund und wolkig. Die Welt. Und bekannt. Ja. Die Welt; der Kosm! Was bedeutete, der leere Raum auf dem anderen Balken, das Unbekannte, war der Metakosm! Blieb die Gestalt in der Mitte: die Crux des ganzen Symbols.
    Sie ging wieder zur Höhle zurück, wo Jaffe auf sie wartete, 686
    und sie wußte, sie hatte nur noch Sekunden.
    »Ich hab's!« rief sie zu ihm hoch. »Ich hab's!« Das stimmte nicht ganz, aber der Rest würde Instinkt sein müssen.
    Das Feuer in der Höhle war fast niedergebrannt, aber in den Augen Jaffes war eine schreckliche Helligkeit.
    »Ich weiß, was es ist«, sagte sie.
    »Tatsächlich?«
    »Auf einer Achse die Evolution, vom Einzeller zum Göttlichen.«
    Sie sah seinem Gesichtsausdruck an, daß sie zumindest diesen Teil richtig hatte.
    »Weiter « , sagte er. »Was ist auf der anderen Achse?«
    »Das sind der Kosm und der Metakosm. Was wir wissen und was wir nicht wissen.«
    »Sehr gut « , sagte er. »Sehr gut. Und in der Mitte?«
    »Wir. Menschen.«
    Sein Lächeln wurde breit. »Nein«, sagte

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