Jenseits des Bösen
der Möglichkeit gewahr wurden, hier zu sein, wo sie jetzt stand, waren aufgewacht und wollten lieber sterben als eine Stunde mit dem Wissen weiterleben, daß ihnen der Zutritt immer und ewig verwehrt war? Waren
erwacht, hatten getrauert und auf die schmerzvolle, heroische Weise, die ihrer Rasse eigen war, gehofft, daß Wunder möglich 719
waren; daß die Epiphanien von Musik und Liebe mehr als Selbsttäuschung waren, nämlich Hinweise auf ein höheres Dasein, wo Hoffnung mit Schlüsseln und Küssen belohnt wurde und sich Türen zum Immerwährenden auftaten.
Die Essenz war dieses Immerwährende. Sie war der Äther, in dem das Sein entstanden war, so wie die Menschheit aus der Suppe eines einfacheren Meeres entstanden war. Der Gedanke, daß die Essenz von den Iad befleckt wurde, war mit einem Mal unerträglicher für sie als die Vorstellung der bevorstehenden Invasion. Die Worte, die sie erstmals von Kissoon gehört hatte, fielen ihr wieder ein. Essenz muß erhalten werden. Mary Muralles hatte bestätigt, daß Kissoon nur log, wenn es unbedingt notwendig war. Das machte einen Großteil seines Genies aus; daß er sich an die Wahrheit hielt, solange sie seinem Ziel dienlich war. Und die Essenz mußte unbedingt erhalten werden. Ohne Träume war das Leben nichts.
Vielleicht wäre es ohne sie überhaupt gar nicht erst entstanden.
»Ich glaube, ich muß es versuchen«, sagte Jaffe, ging noch einen Schritt auf den Schlund zu und brachte sich damit in Reichweite davon. Seine Hände, die vor einer Minute noch völlig kraftlos ausgesehen hatten, waren vom Glanz der Kraft umgeben, die um so deutlicher zu sehen war, weil sie aus so schlimm verletztem Fleisch troff. Er streckte sie dem Schisma entgegen.
Daß es seine Anwesenheit und seine Absicht bemerkte,
wurde offenkundig, noch ehe er den Kontakt hergestellt hatte.
Ein Zucken lief über seinen Rand und über das Zimmer, das es in sich selbst verzerrt hatte. Die gefrorenen Verzerrungen erbebten und wurden wieder weicher.
»Es spürt uns«, sagte Jaffe.
»Wir müssen es trotzdem versuchen«, antwortete Tesla.
Plötzlich war der Boden unter ihren Füßen schlüpfrig; Verputz-stücke fielen von den Wänden und der Decke. Im Inneren des Schlunds erblühten die Wolken feurigen Regens in Richtung 720
Kosm.
Jaffe legte die Hände auf die tauende Verbindung, aber das Schisma hatte keine Geduld mit Gegnern. Ein weiteres Zucken lief hindurch, diesesmal so heftig, daß Jaffe in Teslas Arme geschleudert wurde.
»Sinnlos!« sagte er. »Sinnlos!«
Schlimmer als sinnlos. Falls sie einen Beweis brauchten, daß die Iad kamen, dann bekamen sie ihn jetzt, denn die Wolke wurde dunkler, ihre Bewegungen unmißverständlich. Die Flut hatte gewechselt, wie Jaffe vermutet hatte. Der Schlund des Schismas war nicht mehr bestrebt, etwas zu verschlingen, sondern auszuwürgen, was immer ihn erstickte. Um das zu
bewerkstelligen, ging er weiter auf.
Und mit dieser Bewegung begann der Anfang vom Ende.
721
VII
Das Buch, das Hotchkiss in Händen hielt, trug den Titel Vorbereitung auf Armageddon und war ein Handbuch mit Anweisungen für die Gläubigen. Ein Führer, wie man die bevorstehende Apokalypse Schritt für Schritt überstehen konnte. Es gab Kapitel über Vieh, über Wasser und Getreide, über Bekleidung und Unterkunft, Treibstoff, Wärme und Licht. Es enthielt eine fünfseitige Liste mit dem Titel Gebräuchliche Lebensmittel, die von Zuckersirup bis Wildbretdörrfleisch alles enthielt.
Zusätzlich waren, um Angst in allen Zweiflern zu erzeugen, die versucht sein mochten, ihre Vorbereitungen hinauszuschieben, Fotos von Katastrophen eingefügt, die sich überall in Amerika ereignet hatten. Bei den meisten handelte es sich um
Naturerscheinungen. Waldbrände, die uneindämmbar loderten; Hurrikane, die im Vorüberziehen ganze Städte dem Erdboden gleichmachten. Mehrere Seiten waren einer Flutkatastrophe in Salt Lake City im Mai 1983 gewidmet, mit Bildern von
Einwohnern Utahs, die Sandsäcke aufschichteten, um das Wasser aufzuhalten. Doch das Bild, das am deutlichsten über diesen endgültigen Katastrophen aufragte, war das des Atompilzes. Es waren mehrere Fotos dieser Wolke abgebildet; unter einem fand Hotchkiss folgende Legende:
Die erste Atombombe wurde am 16. Juli 1945 um 05.30 Uhr vom Erfinder der Bombe, Robert Oppenheimer, an einem Ort namens Trinity gezündet. Mit dieser Detonation begann das letzte Zeitalter der Menschheit.
Keine weitere Erklärung. Es war nicht Ziel des Buches,
Weitere Kostenlose Bücher