Jenseits des Bösen
Privatleben«, sagte sie.
»Ja. Schätze schon.«
»Aber ich bin sicher, Buddys Besessenheit war harmlos.«
Sie stand auf und drückte einen Schalter zwischen zwei Plakaten einer Geisterbahn. Hinter der Glaswand am anderen Ende des Zimmers gingen bunte Lichter an. »Gestatten Sie, daß ich Ihnen alles zeige«, sagte sie, schritt durch das Zimmer und in das Durcheinander der Farben hinaus. Hier waren Stücke versammelt, die so groß waren, daß sie nicht in das Haus paßten. Ein etwa vier Meter hohes geschnitztes Gesicht, dessen gähnendes Maul mit seinen spitzen Zähnen der Eingang zu einer Bude gewesen war. Eine Reklame für die ›Mauer des Todes‹ - was mit Glühbirnen geschrieben war. Eine
lebensgroße Relieflokomotive, die von Skeletten gefahren wurde und aus einem Tunnel herauszukommen schien.
»Mein Gott.« Mehr brachte Grillo nicht heraus.
»Jetzt wissen Sie, warum ich ihn verlassen habe«, sagte Rochelle.
»Das war mir nicht klar«, sagte Grillo. »Sie wohnten nicht hier?«
»Ich habe es versucht«, sagte sie. »Aber sehen Sie sich doch um. Es ist wie ein Spaziergang in Buddys Verstand. Er drückte allem seinen Stempel auf. Jedem. Hier war kein Platz für mich.
Es sei denn, ich wäre bereit gewesen, nach seiner Pfeife zu tanzen.«
Sie sah das riesige Maul an. »Häßlich«, sagte sie. »Finden Sie nicht auch?«
»Ich bin kein Kritiker«, sagte Grillo.
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»Stößt es Sie nicht ab?«
»Vielleicht, wenn ich einen Kater hätte.«
»Er sagte mir immer, ich hätte keinen Sinn für Humor«, sagte sie. »Weil ich dieses Zeug nicht... amüsant finde.
Tatsache ist, ich fand auch ihn nicht sehr amüsant. Als Liebhaber, ja, da war er großartig. Aber komisch? Nein.«
»Ist das alles inoffiziell?« fragte Grillo.
»Spielt es eine Rolle, wenn ich das sage? Ich hatte soviel schlechte Publicity in meinem Leben, um zu wissen, daß Sie einen Scheißdreck auf meine Privatsphäre geben.«
»Aber Sie erzählen es mir trotzdem.«
Sie wandte sich von dem Maul ab und sah ihn an. »Ja.«
Pause. Dann sagte sie: »Mir ist kalt«, und ging wieder nach drinnen. Ellen schenkte gerade Kaffee ein.
»Lassen Sie«, befahl Rochelle. »Das mache ich selbst.«
Die Vietnamesin verweilte einen Sekundenbruchteil zu lange für eine gehorsame Hausangestellte unter der Tür, ehe sie hinausging.
»Das ist die Story von Buddy Vance«, sagte Rochelle.
»Frauen, Reichtum und Jahrmarkt. Ich fürchte, es gibt nicht schrecklich viel Neues.«
»Wissen Sie, ob er eine Vorahnung hatte?« fragte Grillo, als sie sich wieder gesetzt hatten.
»Zu sterben? Das bezweifle ich. Er dachte normalerweise nicht an solche Sachen. Sahne?«
»Ja, bitte. Und Zucker.«
»Bedienen Sie sich. Würden Ihre Leser so etwas gerne
hören? Daß Buddy seinen Tod im Traum vorhergesehen hat?«
»Es sind schon seltsamere Dinge geschehen«, sagte Grillo, dessen Gedanken unweigerlich wieder zu der Spalte und was daraus hervorgekommen war abschweiften.
»Das glaube ich nicht«, antwortete Rochelle. »Ich sehe nicht viele Zeichen von Wundern. Nicht mehr.« Sie machte die Lichter draußen aus. »Als ich ein Kind war, hat mir mein 205
Großvater beigebracht, andere Kinder zu beeinflussen.«
»Wie?«
»Indem ich einfach daran dachte. Er selbst hatte das sein ganzes Leben lang getan, und er gab es an mich weiter. Es war ganz leicht. Ich konnte Kinder dazu bringen, ihr Eis fallen zu lassen. Sie grundlos zum Lachen bringen. Ich fand nichts dabei. Damals gab es noch Wunder. Sie warteten um die Ecke.
Aber ich habe den Dreh verloren. Wir verlieren ihn alle. Alles verändert sich zum Schlechteren.«
»So schlimm kann Ihr Leben nicht sein«, sagte Grillo. »Ich weiß, Sie trauern...«
»Scheiß auf meinen Kummer«, sagte sie plötzlich. »Er ist tot, und ich bin hier und warte auf seinen letzten Witz.«
»Das Testament?«
»Das Testament. Die Frauen. Die unehelichen Kinder, die aus dem Nichts auftauchen werden. Er hat mir am Ende doch noch eine seiner verdammten Jahrmarktsüberraschungsfahrten verpaßt.« Ihre Worte waren voller Emotion, aber sie sprach sie dennoch gelassen aus. »Jetzt können Sie nach Hause gehen und das alles in unsterbliche Prosa verwandeln.«
»Ich bleibe in der Stadt«, sagte Grillo. »Bis der Leichnam Ihres Mannes gefunden wird.«
»So weit kommt es nicht«, antwortete Rochelle. »Sie haben die Suche abgebrochen.«
»Was?«
»Spilmont war hier, um es mir zu erklären. Sie haben schon fünf Männer verloren. Anscheinend ist die Chance,
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