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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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durch Regen und Staub, und sie wußten erst, daß sie die Absperrung erreicht hatten, als sie über das Seil fielen. Einer der Bergsteiger, dem die halbe Hand fehlte, lag an der Stelle, wo die Flut ihn hingespült hatte.
    Jenseits des Seils und der Leiche standen Spilmont und eine Anzahl Polizisten im Schutz der Bäume. Hier fiel der Regen nicht so heftig, er prasselte wie ein milder Sommerregen auf den Baldachin des Laubs, während dahinter der Sturm aus der Erde toste.

    Tommy-Ray sah schweißgebadet zur Decke und lachte. So eine Fahrt hatte er seit vorletztem Sommer nicht mehr erlebt, in Topanga, als eine ungewöhnliche Strömung für einen
    herrlichen Sog gesorgt hatte. Er und Andy und Sean hatten stundenlang gesurft und waren völlig von der Geschwindigkeit berauscht gewesen.
    »Ich bin bereit«, sagte er und wischte sich Salzwasser aus den Augen. »Bereit und willig. Komm her und hol mich, wer immer du sein magst.«

    Howie lag zusammengerollt und mit zusammengebissenen
    Zähnen auf dem Bett und sah wie tot aus. Jo-Beth wich zurück und biß sich auf die Knöchel, um ihrer Panik Herr zu werden; 196
    ihre Worte - Lieber Gott, verzeih mir - waren ein gedämpftes Schluchzen. Sie hatten falsch gehandelt, auch nur auf demselben Bett zu liegen. Es war ein Verbrechen gegen die Gesetze des Herrn, so zu träumen, wie sie geträumt hatte - er nackt an ihrer Seite in einem warmen Meer, wo ihre Haare so ineinander verflochten waren, wie sie es sich auch von ihren Körpern wünschte -, und was hatte der Traum gebracht?
    Katastrophen! Blut, Felsen und einen schrecklichen Regen, der ihn im Schlaf getötet hatte!
    Lieber Gott, verzeih mir...
    Er schlug die Augen so plötzlich auf, daß sie ihr Gebet vergaß. Statt dessen rief sie seinen Namen.
    »Howie? Du lebst.«
    Er befreite sich aus dem Laken und griff nach der Brille neben dem Bett. Er setzte sie auf. Nun konnte er ihren Schrecken deutlich sehen.
    »Du hast es auch geträumt«, sagte er.
    »Es war nicht wie ein Traum. Es war echt.« Sie zitterte von Kopf bis Fuß. »Was haben wir getan, Howie?«
    »Nichts«, sagte er und räusperte sich. »Wir haben nichts getan.«
    »Mama hatte recht. Ich hätte nicht...«
    »Hör auf«, sagte er, schwang die Beine über den Bettrand und stand auf. »Wir haben nichts Unrechtes getan.«
    »Was war das dann?« fragte sie.
    »Ein böser Traum.«
    »Von uns beiden?«
    »Vielleicht war es nicht derselbe«, sagte er in der Hoffnung, sie zu beruhigen.
    »Ich schwamm neben dir. Dann war ich unter der Erde.
    Männer haben geschrien...«
    »Schon gut...«, sagte er.
    »Es war derselbe.«
    »Ja.«
    197
    »Siehst du?« sagte sie. »Was zwischen uns ist... ist falsch.
    Vielleicht ist es das Werk des Teufels.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    »Ich weiß nicht, was ich glaube«, sagte sie. Er kam auf sie zu, aber sie hielt ihn mit einer Geste auf Distanz. »Nicht, Howie. Es ist nicht richtig. Wir sollten einander nicht berühren.« Sie ging zur Tür. »Ich muß gehen.«
    »Das ist... ist... ist... absurd«, sagte er, aber seine stotternden Worte konnten sie nicht von ihrem Entschluß abbringen. Sie machte sich bereits am Riegel zu schaffen, den er
    vorgeschoben hatte, als sie eingetreten war.
    »Ich verstehe«, sagte er und beugte sich an ihr vorbei, um die Tür aufzumachen. Da ihm keine tröstenden Worte
    einfielen, schwieg er, und sie sagte nur: »Lebwohl.«
    »Du läßt uns keine Zeit, das zu überdenken.«
    »Ich habe Angst, Howie«, sagte sie. »Du hast recht, ich glaube nicht, daß der Teufel etwas damit zu tun hat. Aber wenn er nicht, wer dann? Weißt du darauf eine Antwort?«
    Sie konnte ihre Gefühle kaum im Zaum halten; sie sog Luft ein, als würde sie schlucken, was ihr nicht zu gelingen schien.
    Der Anblick ihrer Angst weckte den Wunsch in ihm, sie zu be-rühren; aber was gestern abend gewünscht worden war, war heute verboten.
    »Nein«, sagte er ihr. »Keine Antwort.«
    Sie griff das Stichwort seiner Antwort auf und ließ ihn unter der Tür stehen. Er sah ihr nach und zählte dabei bis fünf; blieb stehen und ließ sie gehen, obwohl er wußte: Was zwischen ihnen geschehen war, war wichtiger als alles, was er in den achtzehn Jahren erlebt hatte, die er die Luft dieses Planeten atmete. Bei fünf machte er die Tür zu.

    198
    Vierter Teil

    Entscheidende Augenblicke

    I

    Grillo hatte Abernethy noch nie glücklicher erlebt. Der Mann johlte förmlich, als Grillo ihm erklärte, daß die Buddy-Vance-Story eine Wendung zum

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