Jenseits des Bösen
dir«, sagte der Jaff.
»Was geht hier vor, Tommy-Ray? Dies ist mein Haus. Sie können nicht einfach hier eindringen und Sachen mitnehmen.«
»Es ist etwas, das du nicht willst«, sagte der Jaff und streckte die Hände nach Ted aus. »Ohne das du viel glücklicher bist.«
Tommy-Ray sah erstaunt und beeindruckt zu, wie Ted die Augen bis unter die Lider verdrehte und Geräusche von sich gab, als müßte er sich gleich übergeben. Aber es kam nichts heraus; jedenfalls nicht aus dem Mund. Die Belohnung kam aus den Poren heraus, die Säfte seines Körpers perlten und dickten ein, verdichteten sich und stiegen von der Haut empor, tränkten Hemd und Hose.
Tommy-Ray tänzelte gebannt von einer Seite auf die andere.
Es war wie eine groteske Zaubervorstellung. Die Tropfen der Feuchtigkeit widersetzten sich der Schwerkraft, sie schwebten vor Ted in der Luft, berührten einander und verschmolzen zu größeren Tropfen, und diese größeren Tropfen vereinigten sich ihrerseits wieder, bis Teile fester Materie, wie ein eklig grauer Käse, vor seiner Brust schwebten. Und immer noch strömten die Fluten auf Geheiß des Jaff und fügten der Masse immer mehr Substanz hinzu. Und allmählich bekam sie auch Gestalt; die erste grobe Skizze von Teds privatem Grauen. Tommy-Ray grinste, als er es sah; die zuckenden Beine, die schielenden Augen. Armer Ted, der dieses Baby in sich gehabt hatte. Wie der Jaff gesagt hatte, er war ohne es besser dran.
234
Das war der erste von zahlreichen Besuchen in dieser Nacht, und sie bekamen jedesmal eine neue Bestie aus den verlorenen Seelen.
Alle blaß, alle vage reptilienhaft, aber in jeder anderen Hinsicht eigenständige Schöpfungen. Der Jaff drückte es am besten aus, als sich die nächtlichen Abenteuer ihrem Ende näherten.
»Es ist eine Kunst«, sagte er. »Dieses Herausziehen. Findest du nicht auch?«
»Ja. Es gefällt mir.«
»Selbstverständlich nicht die ›Kunst‹. Aber ein Echo davon.
Wie jede Kunst, vermute ich.«
»Wohin gehen wir jetzt?«
»Ich muß ausruhen. Wir suchen einen schattigen, kühlen Ort.«
»Ich kenne ein paar.«
»Nein. Du gehst heim.«
»Warum?«
»Weil ich will, daß der Grove morgen aufwacht und denkt, daß die Welt wie immer ist.«
»Und was sage ich Jo-Beth?«
»Sag ihr, daß du dich an nichts erinnern kannst. Wenn sie dich bedrängt, dann entschuldige dich.«
»Ich will nicht gehen«, sagte Tommy-Ray.
»Ich weiß«, sagte der Jaff und legte Tommy-Ray eine Hand auf die Schulter. Er massierte beim Sprechen den Muskel.
»Aber wir wollen nicht, daß sie einen Suchtrupp nach dir ausschicken. Sie könnten Dinge entdecken, die wir erst preisgeben sollten, wenn wir dazu bereit sind!«
Darüber grinste Tommy-Ray.
»Wie lange wird das dauern?«
»Du kannst es nicht erwarten zu sehen, wie der Grove
auseinandergenommen wird, was?«
»Ich zähle die Stunden.«
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Der Jaff lachte.
»Wie der Vater, so der Sohn«, sagte er, »gib auf dich acht, Junge. Ich komme wieder.«
Und dann führte er seine Bestien lachend in die Dunkelheit.
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IV
Das Mädchen seiner Träume hatte sich geirrt, dachte Howie, als er aufwachte: Die Sonne scheint nicht jeden Tag im Staate Kalifornien. Als er die Jalousien hochzog, war die Dämmerung trübe; der Himmel zeigte keine Spur Blau. Er machte pflichtschuldigst seine Übungen - das Minimum, das sein Gewissen zuließ. Sie trugen wenig bis gar nichts dazu bei, seinen Körper zu beleben; er schwitzte einfach nur. Nachdem er geduscht und sich rasiert hatte, zog er sich an und ging ins Einkaufszentrum.
Er war noch nicht soweit geheilt, wie es erforderlich sein würde, wenn er Jo-Beth sah. Er wußte aus früheren
Erfahrungen, daß jeder Versuch seinerseits, eine Rede zu planen, lediglich in hoffnungslosem Stammeln enden würde, wenn er den Mund aufmachte. Es wäre besser, ganz dem
Augenblick entsprechend zu reagieren. Wenn sie beharrlich war, würde er nachdrücklich sein. Wenn sie zerknirscht war, würde er verzeihen. Es kam nur darauf an, daß er den Bruch des vergangenen Tages wieder kittete.
Möglicherweise gab es eine Erklärung für das, was ihnen im Motel wiederfahren war, aber stundenlanges gründliches Nachdenken seinerseits hatte nichts ergeben. Er konnte lediglich fol-gern, daß ihr gemeinsamer Traum - dessen Thema, bedachte man die starken Bande zwischen ihnen, nicht schwer zu verstehen war - irgendwie mittels einer telepathischen Fehlschaltung in einen Alptraum verwandelt worden war, den sie weder begriffen noch
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