Jenseits des Bösen
nicht alle verbargen ihre Ängste so gut.
Als Ted Elizando dreizehn war, wurde in seiner Klasse von einem vorausschauenden Lehrer gesagt, daß die Großmächte genügend Raketen besaßen, um die Zivilisation hundertfach damit zerstören zu können. Dieser Gedanke bekümmerte ihn viel mehr, als es seine Klassenkameraden zu bekümmern 231
schien; daher behielt er seine Alpträume vom Weltuntergang für sich, weil er Angst hatte, er würde ausgelacht werden. Die Täuschung funktionierte; bei Ted ebensogut wie bei seinen Klassenkameraden. Bis er zwanzig war, hatte er seine Ängste so gut wie vergessen. Mit einundzwanzig hatte er eine gute Arbeitsstelle in Thousand Oaks und heiratete Loretta. Im darauffolgenden Jahr bekamen sie Nachwuchs. Eines Nachts, ein paar Monate nach der Geburt des Babys Dawn, kam der Alptraum vom letzten großen Feuer wieder. Schwitzend und zitternd stand Ted auf und sah nach seiner Tochter. Sie lag schlafend in ihrer Koje, auf dem Bauch, wie sie so gerne schlief. Er betrachtete sie etwa eine Stunde lang im
Schlummer, anschließend ging er wieder ins Bett. Danach wiederholte sich diese Abfolge der Ereignisse beinahe jede Nacht, bis sie so vorhersehbar wie ein Ritual wurde. Manchmal drehte sich das Baby im Schlaf um und schlug die Augen mit den langen Wimpern auf. Wenn sie ihren Daddy neben der Wiege stehen sah, lächelte sie. Doch die Nachtwachen
forderten ihren Tribut bei Ted. Der Nacht für Nacht
unterbrochene Schlaf kostete ihn Kraft; es fiel ihm immer schwerer zu verhindern, daß der Schrecken, der nachts zu ihm kam, auch bei Tage erschien. Wenn er am hellichten Tag am Schreibtisch saß, stürmte das Grauen auf ihn ein. Die Frühlingssonne, die auf das Papier vor ihm schien, wurde zu blendendgrellen Atompilzen. Jede Brise, wie sanft auch immer, trug ihm ferne Schreie zu.
Und als er eines Nachts neben Dawns Bettchen stand, hörte er die Marschflugkörper kommen. Er nahm Dawn entsetzt auf die Arme und versuchte, das weinende Kind zu beruhigen. Ihr Weinen weckte Loretta, die nach ihrem Mann suchte. Sie fand ihn im Eßzimmer, und er konnte vor Entsetzen nicht sprechen, weil er seine Tochter anstarrte, die er fallen gelassen hatte, als er sah, wie sie in seinen Armen verkohlte, wie die Haut schwarz und ihre Arme zu rauchenden Stöcken wurden.
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Er kam einen Monat in die Klinik und durfte dann in den Grove zurückkehren, weil sich die Ärzte darin einig waren, daß größere Hoffnung auf Genesung bestand, wenn er sicher im Schoß seiner Familie weilte. Ein Jahr später reichte Loretta wegen unüberwindbarer Differenzen die Scheidung ein. Sie wurde anerkannt, und ihr wurde das Sorgerecht für das Kind
zugesprochen.
Heutzutage besuchten nur wenige Menschen Ted. In den vier Jahren seit seinem Nervenzusammenbruch arbeitete er in der Tierhandlung im Einkaufszentrum, eine Aufgabe, die glücklicherweise geringste Anforderungen an ihn stellte. Er war glücklich unter den Tieren, die, wie er, schlechte Heuchler waren. Er hatte die Aura eines Mannes an sich, der kein Zuhause mehr hat und auf Messers Schneide steht. Tommy-Ray, dem Mama Haustiere verboten hatte, war von Ted
verwöhnt worden: Er hatte freien Zugang zum Laden gehabt -
und sich sogar ein paarmal darum gekümmert, wenn Ted
Botengänge machen mußte - und durfte mit den Hunden und Schlangen spielen. Er hatte alles über Ted und seine
Geschichte erfahren, obwohl sie nie Freunde geworden waren.
Er hatte Ted zum Beispiel nie bei sich zu Hause besucht, so wie diese Nacht.
»Ich habe jemanden mitgebracht, Teddy. Ich möchte, daß du ihn kennenlernst.«
»Es ist schon spät.«
»Das kann nicht warten. Hör zu, es sind wirklich gute Neuigkeiten, und ich habe außer dir keinen, mit dem ich darüber reden kann.«
»Gute Neuigkeiten?«
»Mein Papa. Er ist nach Hause gekommen.«
»Wirklich? Das freut mich aber für dich, Tommy-Ray.«
»Möchtest du ihn nicht kennenlernen?«
»Nun, ich...«
»Selbstverständlich will er das«, sagte der Jaff, trat aus dem 233
Schatten und streckte Ted die Hand hin. »Jeder Freund meines Sohnes ist auch ein Freund von mir.«
Als er die Wesenheit sah, die Tommy-Ray als seinen Vater vorgestellt hatte, ging Teddy einen ängstlichen Schritt ins Haus zurück. Dies war ein völlig andersartiger Alptraum. So etwas war ihm nicht einmal in den guten alten Zeiten erschienen. Sie hatten sich immer verstohlen angeschlichen. Der hier redete und lächelte und verschaffte sich selbst Einlaß.
»Ich will etwas von
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