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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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verdienten. Es war ein irgendwie gearteter astraler Fehler. Er hatte nichts mit ihnen zu tun; sie vergaßen ihn am besten gleich wieder. Mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten konnten sie ihre Beziehung dort wieder aufnehmen, wo sie sie vor Butrick's Steak House aufgegeben hatten, als noch so viele Versprechungen in der Luft lagen.
    Er ging direkt zur Buchhandlung. Lois - Mrs. Knapp - stand hinter dem Ladentisch. Sonst war das Geschäft leer. Er lächelte 237
    und sagte hallo, dann fragte er, ob Jo-Beth schon da war. Mrs.
    Knapp sah auf die Uhr und informierte ihn frostig, sie wäre noch nicht da - und sie wäre zu spät.
    »Dann warte ich«, sagte er, weil er sich von der
    Unfreundlichkeit der Frau nicht von seinem Vorhaben
    abbringen lassen wollte. Er ging zu dem Bücherstapel beim Fenster, wo er blättern und gleichzeitig darauf warten konnte, daß Jo-Beth eintraf.
    Die Bücher vor ihm waren allesamt religiöser Natur. Eines fiel ihm besonders ins Auge: Die Geschichte des Erlösers. Der Umschlag zeigte einen Mann auf den Knien vor einem grellen Licht sowie die Werbung, daß das Buch die größte
    Offenbarung des Jahrhunderts enthielt. Er blätterte es durch.
    Das schmale Bändchen - es war kaum mehr als eine Broschüre
    - war von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage veröffentlicht worden und erzählte in leicht
    verständlichen Absätzen und Bildern die Geschichte des Großen Weißen Gottes des alten Amerika. Den Illustrationen zufolge sah dieser Gott, in welcher Inkarnation er auch immer erschien - als Quetzalcoatl in Mexiko; als Tonga-Loa, Gott der Meeressonne, in Polynesien; als Illa-Tici, Kuku-lean oder in einem halben Dutzend anderer Verkleidungen -, stets wie der perfekte weiße, reinrassige Held aus: groß, geschmeidig, helle Haut, blaue Augen. Und nun, behauptete die Broschüre, war er nach Amerika zurückgekehrt, um den Jahrtausendwechsel zu feiern. Diesesmal würde er bei seinem wahren Namen genannt werden: Jesus Christus. Howie ging zu einem anderen Regal und suchte nach einem Buch, das besser zu seiner Stimmung paßte. Liebesgedichte vielleicht; oder ein Sex-Handbuch. Doch als er die Bücher auf den Regalen genauer in Augenschein nahm, stellte er fest, daß sie allesamt vom selben Verlag oder einer zugehörigen Firma veröffentlicht worden waren. Es gab Gebetbücher; Gesangbücher für die ganze Familie; schwergewichtige Bände über den Aufbau von Zim, der Stadt Gottes 238
    auf Erden; oder über die Bedeutung der Taufe. Darunter ein Bildband über das Leben von Joseph Smith, mit Fotos seines Geburtshauses und dem heiligen Hain, wo er offenbar eine Vision gehabt hatte. Die Bildlegende erweckte Howies
    Aufmerksamkeit.
    Ich sah zwei Wesenheiten, deren strahlender Glanz und deren Glorie unbeschreiblich waren, in der Luft über mir schweben. Eine davon sprach zu mir, nannte mich bei meinem Namen und sagte...
    »Ich habe bei Jo-Beth zu Hause angerufen. Es nimmt
    niemand ab. Sie müssen weggefahren sein.«
    Howie sah von dem Text auf. »Zu schade«, sagte er, glaubte der Frau aber nicht rückhaltlos. Wenn sie den Anruf wirklich gemacht hatte, dann sehr leise.
    »Sie kommt heute wahrscheinlich gar nicht mehr«, fuhr Mrs.
    Knapp fort, die beim Sprechen Howies Blick auswich. »Ich habe eine sehr formlose Vereinbarung mit ihr. Sie arbeitet, wenn es ihr am besten paßt.«
    Er wußte, daß das eine Lüge war. Er hatte erst gestern morgen gehört, wie sie Jo-Beth schalt, weil sie unpünktlich gewesen war; ihre Arbeitszeit war ganz und gar nicht gleitend.
    Aber Mrs. Knapp schien, als gute Christin, fest entschlossen zu sein, ihn aus dem Laden zu vertreiben. Vielleicht hatte sie gesehen, wie er beim Blättern gegrinst hatte.
    »Es hat überhaupt keinen Zweck, daß Sie warten«, fuhr sie fort. »Es könnte den ganzen Tag dauern.«
    »Ich verscheuche doch keine Kunden, oder?« sagte Howie, um sie zu zwingen, ihre Vorbehalte gegen ihn auszusprechen.
    »Nein«, sagte sie mit einem knappen, freudlosen Lächeln.
    »Das wollte ich auch nicht sagen.«
    Er ging zum Tisch. Sie wich unwillkürlich einen Schritt zu-rück, als hätte sie Angst vor ihm.
    »Und was genau wollen Sie sagen?« fragte er und konnte sich kaum noch beherrschen. »Was habe ich an mir, das Ihnen 239
    nicht gefällt? Mein Deodorant? Mein Haarschnitt?«
    Sie versuchte wieder das knappe Lächeln, aber diesmal gelang es ihr, obwohl sie in Heuchelei geübt war, nicht so recht. Statt dessen zuckte ihr Gesicht nur.
    »Ich bin nicht der

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