Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
weiß.“
„Arpad war weitaus freundlicher zu ihm, als er begreift. Er hat ihm gestattet weiterzuleben. Aber unser gemeinsamer Freund kann doch recht … überwältigend sein … und mein Mann ist niemand, der sich gerne …“ Sie hielt inne, fand keine Worte mehr. Sie hatte lange nicht mehr an die Szene gedacht, an den bitteren Hass eines zutiefst erschütterten und angeekelten Mannes, der sein eigenes Blut dem Vampir dargeboten hatte, um sie zu retten. Er hatte ihr verboten, darüber zu sprechen, egal mit wem, nicht einmal mit ihm selbst. Arpad hatte sich von ihm genährt, hatte ihn in seinen Armen gehalten und ihm seine Hilflosigkeit und seine Schwäche nachhaltig demonstriert. Charly verstand die extreme Reaktion ihres Mannes nur allzu gut. Er hatte es gehasst, so vollständig in der Macht einer Kreatur zu sein, deren bloße Existenz er gar nicht erst wahrhaben wollte. Zudem hatte ihn die Intimität des Geschehens entsetzt. Wo Charly ihr Blut gegeben hatte in dem Wissen um die Liebe und das fleischliche Vergnügen, das der Vampir zu geben imstande war, hatte er seines gegeben in dem Bewusstsein der ungeheuren Sünde, die er damit beging.
Dass sie Arpad immer noch so sehr mochte, half auch nicht eben.
„Hättest du gern dein Frühstück?“ Charly wechselte das Thema.
„Ja, vielen Dank, Charly.“
Charlotte führte Sophie ins Esszimmer und läutete nach dem Mädchen. Ein Mädchen, eine Haushälterin und Köchin und einen Diener hatten sie angestellt. Letzterer war primär dazu da, Asko unauffällig beim Umherkommen zu helfen. Ihr Mann konnte keine Treppen bezwingen, konnte nicht ohne Hilfe in eine Kutsche steigen. Wenn er fiel, konnte er allein nicht wieder auf die Beine kommen. Der Diener war in der Armee Askos Putzer gewesen. Vielleicht nicht gerade das, was man sich unter einem Bediensteten in einem gehobenen Haushalt vorstellte.
Charly und Sophie setzten sich und sahen zu, wie das Mädchen Kaffee und Frühstück servierte.
„Danke, Martha, du kannst jetzt gehen“, sagte Charlotte. „Es ist Waschtag. Ich nehme an, du hast anderweitig genug zu tun.“
Martha verschwand.
„Ich habe Arpad geschrieben“, fuhr Sophie fort, als die Tür sich hinter der Bediensteten geschlossen hatte. „Gleich als Thorolf mir seine Entscheidung, in München Maler zu werden, mitgeteilt hatte. Aber wer weiß, wo er sich zurzeit aufhält? Vielleicht hat er den Brief noch gar nicht erhalten.“
„Vermutlich in Mailand. Mademoiselle Denglot hat dort diese Saison ein Engagement.“
Cérise Denglot war eine der berühmtesten Sopranistinnen der Oper und Arpads Geliebte.
„Ich weiß“, gab Sophie zurück. „Ihr habe ich auch geschrieben, mit der Bitte, den Brief an ihn weiterzuleiten. Sie weiß, dass wir uns einmal sehr nahestanden, und obgleich ich denke, dass sie vielleicht ein bisschen eifersüchtig ist, glaube ich doch, dass sie mir diesen Dienst nicht versagen wird. Schließlich bin ich keine Konkurrenz für sie. Ehemalige sind nicht gefährlich, nur Nachfolgerinnen. Jedenfalls habe ich noch nichts von Arpad gehört. Ich habe ihm gesagt, dass er mich vermutlich bei dir finden wird.“
Charly schluckte und senkte den Blick.
„Meinst du, er kommt … her?“
Sie spürte Sophies fragenden Blick und sog vorsichtig die Luft ein. Sie hatte nicht vorgehabt, Einzelheiten über ihre Ehe und die Schwierigkeit der Situation zu erörtern. Dennoch sehnte sie sich bisweilen danach, mit jemandem darüber sprechen zu können, der zuhören und irgendetwas Tröstliches sagen würde. Nur, wie fasste man so etwas in Worte?
„Asko war von Anfang an eifersüchtig, Sophie. Er hat immer geglaubt, dass er in einem direkten Wettstreit mit einem Feyon nur verlieren könnte.“
„Was für ein Wettstreit? Ein Wettstreit um deine Liebe? Aber die gehörte doch immer nur Asko und nicht Arpad. Oder täusche ich mich da?“
„Nein. Ich mag Arpad. Ich liebe Asko. So war es immer, und das hat sich nie geändert. Vielleicht hätte Asko ja die Situation, die er als … augenscheinliche Konkurrenz … wahrgenommen hat, vergessen können, wenn er nicht glauben würde … wenn ihm nicht all das geschehen …“
Sie stand auf und wandte sich ab, fand keine Worte.
„Wenn man ihn nicht niedergeschossen hätte und er jetzt Invalide wäre?“, fragte Sophie leise. Charly nickte, ohne sich umzudrehen.
Sophie fragte nicht. Natürlich nicht. So etwas konnte man nicht fragen.
„Ich verstehe“, sagte sie. „Es wird wohl noch Monate dauern, bis
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