Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sich nicht oft – was seinen Grund primär in dem Fakt hatte, dass das Akademiegebäude sie nicht alle unterbringen konnte. Einige Studios waren somit in andere Stadtgebiete ausgelagert worden.
„Lenbach kommt auch mit“, fuhr Max fort. „Haben Sie ihn schon mal getroffen? Er ist interessant.“
„Ich freue mich, ihn kennenzulernen“, gab Thorolf zurück. „Aber heute Abend habe ich eine Einladung, und ich muss mich noch darauf vorbereiten.“ Dass es eine Einladung zu den Lybrattes war, wollte er nicht sagen, denn er wusste, dass Piloty und seine Studenten nicht eingeladen waren. Die Rivalität der unterschiedlichen Schulen war prononciert genug, ohne dass man den Neid noch anheizen musste.
Max feixte.
„Eine Frau?“
„Wo denken Sie hin?“
„Glauben Sie nicht, Sie können mich an der Nase herumführen. Natürlich ist es eine Frau. Ist es Lena? Ich habe gesehen, wie sie Ihnen hinterher schielt. Sie mag junge Künstler, unsere Lena, und ist dabei selbst so – kunstfertig. Ihre Unterhaltung mag eher physischer als verbaler Natur sein, doch der Unterhaltungswert ist gleichbleibend hoch. Sie kann das Beste … aus einem herausholen, ohne dass sie dazu besonders viel sagen müsste.“
Thorolf lächelte und war ganz sicher, dass er sich nicht in die Reihe der Wartenden stellen wollte, die auf eine Unterhaltung mit Lena aus waren.
„Nicht Lena. Trotzdem tut es mir leid, dass ich Ihre freundliche Einladung für dieses Mal ausschlagen muss. Ich komme aber gerne ein anderes Mal mit. Ich nehme nicht an, dass dies die letzte und einzige Möglichkeit ist, an ein gutes Bier in guter Gesellschaft zu kommen?“
Max grinste.
„Nur Ihretwegen werden wir noch einmal zu ähnlichem Behufe zusammenkommen, um dem edlen Gerstensaft die Ehre zu erweisen.“
Thorolf verließ das Gebäude und holte sein Fahrrad. Den Großteil seiner Malausrüstung ließ er einfach im Atelier. Es gab keinen Grund, sie mit herumzuschleppen. Er hatte sich einen zweiten Satz Farbe, Pinsel und Stifte für sein „Wohnzimmer-Atelier“ gekauft, eine Extravaganz, die sich die meisten Kunststudenten nicht leisten konnten. Der Sohn eines begüterten Richters zu sein hatte seine Vorteile.
Thorolf schnitt eine Grimasse.
Er war müde, und eine Last wie ein Berg drückte ihn nieder. Vielleicht sollte er sich ein Schläfchen gönnen, ehe er wieder loszog. Wenigstens eine halbe Stunde. Die Strapazen der letzten Nacht lagen ihm schwer auf Körper und Seele. Beinahe wäre er gestorben.
Ein Traum von ihm war nun tot.
Natürlich war sie nie mehr als ein Traum gewesen. Das Traummädchen, das er wieder und wieder gezeichnet hatte. Dass er sie jemals tatsächlich treffen würde, hatte er nie geglaubt. Nicht einmal einen Namen hatte er ihr gegeben, nur „das Mädchen“. Seine Mutter hatte die Bilder vor Jahren einmal entdeckt.
„Stellst du dir so deine zukünftige Braut vor?“, hatte sie gefragt. Das hatte er verneint. Gewiss nicht. Er mochte reife, üppige Frauen mit großen Brüsten, weiten, gastfreundlichen Hüften und genug Erfahrung, um zu wissen, was zu tun war. Er mochte Frauen, die willig und großzügig waren und dazu aktiv und absolut nicht schüchtern. Doch das konnte man seiner Mutter nicht gut sagen.
Natürlich hatten seine Eroberungen auch die eine oder andere Jungfer eingeschlossen. Nicht viele allerdings. Er hatte immer versucht, Unschuldslämmern aus dem Wege zu gehen, besonders, wenn sie seiner eigenen Gesellschaftsschicht angehörten. Die Gefahr, dass man nach einer Nacht voller Spaß ein solches liebes Wesen zu ehelichen gezwungen war, war allzu groß, und im Gegensatz zu dem, was seine Mutter von ihm dachte, hatte er gelegentlich durchaus seinen Verstand beisammen. Er wollte Spaß und keine Verantwortung. Letztere würde noch früh genug kommen.
Also hatte das Mädchen nie zu den hübschen, zugänglichen jungen Damen gezählt, die er gekannt hatte und denen er näher, ja allzu nah gekommen war. Nicht einmal im Traum hatte er sie zu einer von jenen gemacht. Sie hatte nur eben in seinem Kopf gelebt, brav und sittsam und ohne zu stören, und von dort hatte sie schließlich einen Platz in seinem Herzen gefunden, irgendwo in einer nicht besetzten Ecke. Sie war wie ein kleines Kunstwerk, von dem man sich nicht trennen will, doch nie war sie eine Frau gewesen, die er hätte erobern wollen. Er hatte sie nicht ein einziges Mal nackt gemalt. So enthaltsam war er bei anderen Frauen nicht gewesen, egal ob sie ihm ohne Kleider Modell
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