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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Fort. Die Aromen der verschiedenen Substanzen bauten sich in ihrem Geist zu deren Bild zusammen. Sie wusste genau, wie das belegte Brot ausgesehen hatte. Noch genauer wusste sie, wie es geschmeckt haben würde. Ihr Geruchssinn war beunruhigend präzise. Beinahe fühlte sie sich ein wenig angeekelt, wenn auch nur auf rein intellektueller Ebene. Der fast verschwundene Duft eines lang schon verzehrten Butterbrots sollte wahrhaftig nicht solche extremen Hungergefühle in ihr auslösen. Es war ganz und gar ungehörig.
    Dennoch blieb die Tatsache, dass sie fast in alles gebissen hätte, das auch nur im Entferntesten an Nahrung erinnerte. Sie war schrecklich müde und am Verhungern.
    Es war dunkel in der Tasche, doch sie konnte erstaunlich gut sehen. Alle ihre Sinne waren auf eine neue Ebene gehoben worden. Die Sinne einer Katze.
    Sie schauderte und versuchte, sich nicht zu bewegen. Wenn sie sich nicht anständig benahm, würde er sie rauswerfen. Also war es besser, sich überhaupt nicht zu bewegen. Sie wollte nicht von ihm rausgeworfen werden. Sie hatte ihn gleich erkannt. Der gutaussehende junge Mann war eben jener, der die Nacht zuvor versucht hatte, ihr gegen das Monster beizustehen. Daran war etwas geradezu kismethaft Unausweichliches. Zweimal hatte sie sich in seine Arme geflüchtet, und zweimal hatte er sie in diesen Armen gehalten und den Kampf gegen ihren Feind aufgenommen.
    Er hatte überlebt. Er musste gegen die Spinne gekämpft haben, und sie fragte sich, wie es ihm gelungen war, unbeschadet davonzukommen. Sie hatte um den Fremden getrauert, der in der Schlacht gegen das Unbesiegbare ihr Ritter geworden war. Offenbar hatte er die Spinne immerhin eine Weile aufgehalten, sonst wäre Catrin nicht so weit gekommen, bevor das Biest sie wieder einholte. Sie erinnerte sich mit Grauen an die Kreatur, deren zahnstrotzende Mäuler, scharfe, lange Krallen, deren hungrige Gier und nachtschwarze Aura. Sie hatte gespürt, wie es sie wollte, hatte seinen Wunsch gefühlt, seine Beute zu schnappen, sie niederzuwerfen, seine Klauen in ihren Körper zu treiben. Der junge Mann war nur ein winziges Hindernis auf dem Weg des Monsters zu seinem Ziel gewesen. Zu ihr.
    Was immer das Monster auch war, es hatte sich mehr für sie als für ihn interessiert. Zum einen hatte es ihn nicht gefressen, und zum anderen war er noch ein Mensch und sie nicht.
    Sie war eine Katze.
    Sie hatte Stunden gebraucht, um zu verstehen, dass sie kein Mädchen mehr war, sondern ein Tier, ein Vierfüßer, ein Mäusejäger. Es vollständig zu begreifen, das würde ihr wohl nie gelingen. Sie mochte Katzen, hatte sie immer gemocht, doch sie hatte sich nie überlegt, wie es sein mochte, eine zu werden. Es war undenkbar, unerhört. Es war jenseits jeder Logik und jeden Begreifens. Die Gesetze der Physik, die doch für die ganze Welt galten, konnten eine solche Transformation gar nicht zulassen. Also war es unmöglich, und alle ihre Sinne wehrten sich dagegen.
    Er musste mit Magie zu tun haben. Das achtbeinige Ungeheuer konnte zaubern und hatte sie gejagt, gestellt und verzaubert. In eine Katze verwandelt. Sie spürte beinahe noch, wie sie durch eine andere Version der Wirklichkeit fiel wie durch plötzliches Eis. Dieses Gefühl hatte sie einen Augenblick lang komplett im Griff gehabt, doch ihr Sinn war so vollständig auf Flucht ausgerichtet, ihre Todesangst hatte sie gebeutelt und die Panik vor etwas, dessen Existenz sie nicht fassen konnte, sie immer weitergetrieben. Die Spinne musste sie verhext haben. Offenbar. Eine andere Erklärung hatte Catrin nicht.
    Nur – warum hatte das Wesen das getan?
    Sie zweifelte nicht, dass das Ungeheuer sie töten und fressen wollte, oder noch schrecklichere Dinge mit ihr vorhatte, die sie sich nicht vorstellen konnte und schon gar nicht wollte. In ihrer Phantasie lag sie bereits hilflos auf dem Rücken, spürte, wie sich die Klauen in ihr Fleisch bohrten. Allein die Vorstellung, von acht dolchbewehrten Beinen und zwei geifernden Mäulern zerrissen, zerfetzt und gefressen zu werden hatte ihr das Herz zu Eis gefrieren und sie den Schmerz in ihren Gedanken schon vorwegnehmen lassen.
    Doch das Wesen hatte sie in eine Katze verwandelt – und ihr somit die Flucht ermöglicht.
    Es ergab keinen Sinn. Sie begriff es nicht. Warum hatte das Vieh sie durch die ganze Stadt bis zu einer Sackgasse gejagt, aus der es kein Entrinnen gab, um sie dann so klein zu machen, dass sie durch ein Loch im Zaun entkommen konnte? Warum hatte es so geschrien,

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