Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Ekel.
„Sie will dich wiederhaben. Als Jungfrau. Also ist deine Jungfräulichkeit zunächst einmal sicher. Wenn du zu mir gekommen wärst – freiwillig – wäre alles ganz anders geworden. Du wärst gekommen, um mir deine Liebe zu schenken. Das hätte mir gefallen. Es hätte mir viel bedeutet.“ Er seufzte, ohne auch nur zu lächeln aufzuhören. „Mehr als du dir vorstellen kannst. Jemand, der sich freiwillig zu mir begibt, meinen Wein trinkt und mich so akzeptiert, wie ich bin. Auf einer solchen Liebe könnte man schon eine Dependance der Wirklichkeit einrichten. Ein solches Gefühl würde halten. Jemand, der mich liebt. Du hast mich doch geliebt, nicht wahr?“
„Ja“, gab sie schüchtern zur Antwort. Es war sinnlos, es zu leugnen. „Ich war verliebt in sie. Sie waren so nett.“
Er nickte.
„Nettigkeit. Eine nicht zu unterschätzende Waffe. Ich war nett, und die beiden Toren da draußen ebenfalls. Liebst du sie auch?“
Ob sie sie liebte? Sie wusste es nicht. Sie mochte sie sehr. Außerdem gehörten beide irgendwie ihr. Sie fühlte Thorolfs harten Angriff noch, und hörte seine Entschuldigung. Sie spürte noch Ians Schulter, an der sie geweint hatte. Catty, die Katze, hatte befunden, dass die beiden zur Familie gehörten. Damit waren sie Verwandte. Sie zu verlieren war fast unerträglich. Sie gehörten ihr.
„Nebensächlich“, fuhr er fort. „Du hast mich geliebt, und du hättest mir beibringen können, auch dich wiederum zu lieben. Die Schöne, die das Biest in einen Prinzen verwandelt. Ich hätte dein Prinz sein können. Ist das nicht, worauf alle jungen Mädchen hoffen? Dass sie ihren Prinzen treffen? Ich hätte dein Vertrauen geehrt – vielleicht sogar über meine Verpflichtung hinaus. Aber Liebe ist vergänglich und so flatterhaft wie du allenthalben bist. Du bist zu jung, um willensstark zu sein, und vielleicht ist das ja auch gut so. Also bringe ich dich zurück zu ihr. Sie braucht dich, und du liebst mich nicht mehr. Ich bin ja kein Mensch. Wie könntest du da?“
Er zitierte sie und klang bitter. Dann lachte er.
„Solche Vorurteile können einem schon das Herz brechen. Allerdings nicht mir. Mein Herz ist unzerbrechlich. Zudem besitze ich mehr als eines.“
Sie sah sich entsetzt um. Wie würde er sie hinausbringen? Durchs Fenster? War er so hereingekommen? Draußen war es dunkel, aber konnte er mehrere Stockwerke mit einem sich wehrenden, kreischenden Mädchen über der Schulter runterklettern? Einem nackten Mädchen? Würde er sie nackt durch halb München schleppen?
Vielleicht wartete draußen sein Wagen, wie in jener Nacht?
Ihr war kalt.
„Darf ich mir etwas anziehen?“, fragte sie, während sie begriff, dass sie den beiden Männern draußen nur Unglück und Verderben bringen würde. Sie wollte sie nicht ruinieren. Sie hatten sie aufgenommen, sie gefüttert, sie gekrault, und alles in allem waren sie netter zu ihr gewesen als ihre eigene Familie in den letzten Monaten.
Also würde sie mitgehen. Ihn zu bekämpfen war ohnehin unmöglich, und ihre Schreie blieben ungehört. Sie wählte das Unausweichliche.
Ihr Entführer schüttelte den Kopf.
„Das ist überflüssig. Niemand wird dich sehen. Komm!“
„Wohin?“
„Nach Hause. Wir nehmen eine Abkürzung.“
„Nach Hause? Zu Vater?“
„Zu deiner Mutter.“
„Lucilla?“
„Sie erwartet dich.“
Eine Mutter, die zu Hause wartete, sollte sich nicht so unheilsschwanger anhören.
„Sie wird wütend auf mich sein.“ Sie konnte ihrer Stiefmutter nicht begreiflich machen, was geschehen war. Dass sie das Haus verlassen hatte, um Lord Edmond abzuweisen, dass eine Riesenspinne sie gejagt hatte und dass sie in eine Katze verwandelt worden war. Zur überzeugenden Ausrede taugte nichts davon, und Miss Colpin würde wieder ihre Worte wie Klingen durch ihre Seele fahren lassen.
„Im Gegenteil. Lucilla wird erleichtert sein, dich zurückzubekommen, gesund und munter.“
„Sie mag mich gar nicht.“
„Aber sie lehnt dich auch nicht ab. Sie hat dich beschützt – sogar vor mir –, und nun braucht sie dich.“
„Sie braucht mich?“
„Ja. Du spielst eine große Rolle in ihrem Plan.“
Da war er wieder, der ominöse Plan, von dem sie schon auf dem Sims vor Miss Colpins Fenster gehört hatte.
„Was plant sie denn?“
Er lächelte und strich ihr mit einem Finger über die Wange. Dann fuhr er weiter an ihrem Kinn entlang zum Hals und ließ die Fingerspitzen auf ihrem Schlüsselbein ruhen. Catty stand reglos. Sie
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