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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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unterwegs? Ohne Schutz?“ Thorolf klang ein wenig empört.
    Catty errötete.
    „Ich musste einen Brief … überbringen.“
    „Kurz vor Mitternacht?“
    „Nun ja.“
    „Weshalb?“
    „Weil …“ Da war es nun also. Wie erklärte sie das am besten? „Weil meine Stiefmutter mir verboten hatte, jemanden noch mal zu sehen …“ Sie hielt inne und wusste nicht weiter. „Bitte“, fügte sie betreten an, „es ist nicht so, wie Sie denken. Es war ein Brief mit einer Absage. Ich habe ein … Angebot … abgelehnt …“
    Stille. Ob die beiden jetzt dachten, es hätte sich um einen Heiratsantrag gehandelt? Was würden sie denken? Würden Sie sie für ein Flittchen halten? Für jemanden, der das Elternhaus verließ, um sich heimlich mit einem Mann zu treffen, den die Eltern für unpassend hielten? Für jemanden, der nicht zum ersten Mal nackt neben einem Mann erwachte?
    Sie versuchte, nicht schon wieder zu weinen, kuschelte sich noch tiefen in den Mantel und die Decke, als wollte sie darin verschwinden.
    „Ich verstehe nicht“, sagte Ian. „Sie haben Ihr Zuhause mitten in der Nacht verlassen, um einem Bewunderer … äh … einen Korb zu geben? Einem Bewunderer, den Ihre Stiefmutter nicht in Ihre Nähe ließ?“
    „So wie Sie das sagen, klingt es töricht.“ Sie seufzte. „Vermutlich war es das auch.“
    „Es klingt schon ein wenig … eigentümlich …“
    „Nein“, unterbrach Thorolf. „Es klingt verwirrt, aber unter den Umständen durchaus verständlich. Liebe hat nichts mit Vernunft zu tun.“
    „Waren Sie denn in den Mann verliebt?“, fragte Ian.
    Das war schon beinahe unverschämt neugierig, und sie wusste auch nicht, was sie darauf antworten sollte.
    „Natürlich ist sie verliebt“, antwortete Thorolf für sie, und seine Stimme klang bitter. „Junge Mädchen schleichen sich doch nicht mitten in der Nacht aus ihrem Zuhause fort, wenn es nicht um Liebe geht.“
    „Ich nehme an“, fuhr Ian fort, „dass es uns nichts angeht, wer der betreffende Herr ist – ganz besonders, da Sie sich solche Mühe gegeben haben, ihm einen Korb zu geben.“
    Die Blicke beider Männer lasteten nun auf ihr, und sie wünschte sich, sie wäre weit, weit fort. In Timbuktu. Oder China. Oder im nächsten Raum mit einer Tür zwischen ihr und den Männern.
    „Könnte ich …“ Sie schluckte. „Dürfte ich vielleicht Ihr zuvorkommendes Angebot annehmen, Mr. McMullen, und etwas von Ihnen anziehen?“
    Das Thema zu wechseln schien die einzige Lösung zu sein, um der Sache zu entkommen. Themawechsel durch Kleiderwechsel. Bekleidung hatte etwas Beruhigendes. Sie würde sich nicht mehr so unsicher fühlen wie jetzt, denn obgleich sie im Moment bis zum Kinn in Mantel und Decke gehüllt war, hatte sie doch das Gefühl nackt dazusitzen. Als Katze hatte sie sich nie nackt gefühlt.
    Sie stand vorsichtig auf, hielt Mantel und Decke zusammen. Ihre Füße waren kalt auf dem Holzboden. Beide Herren standen mit ihr auf. Thorolf trat ihr aus dem Weg, Ian ging vor, öffnete ihr die Tür.
    Im Türrahmen drehte sie sich um.
    „Sie kennen ihn. Er war hier. Lord Edmond, und ich war verliebt in ihn. Er war so nett zu mir.“ Das klang fast trotzig. „Aber er ist kein Mensch. Was er ist, weiß ich nicht. Ich kann doch nicht gut jemanden lieben, der gar kein Mensch ist? Oder?“
    Keiner der beiden sagte etwas darauf, doch Thorolf setzte mit einem Knall seine Tasse ab, und Ian sah nicht sie an, sondern seinen Freund. Das war seltsam.
    Einerlei.
    Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Die Atmosphäre war dick wie Haferschleim, und sie fühlte sich schon wieder danach zu weinen.

Kapitel 56
    Ians Schlafzimmer war klein, ordentlich und schmucklos. Hier hingen keine Skizzen an den Wänden und keine Kleidungsstücke über dem Stuhl. Das Fenster stand halb offen und ließ frische Luft in den Raum. Auf seinem Bett lag ein sauber gefaltetes Hemd, ein Paar Hosen, ein Gürtel, eine Weste, ein Gehrock, ein Paar Wollsocken und sogar etwas Unterzeug. Sie wurde rot. Seine Unterkleidung konnte sie nicht gut tragen, oder doch?
    Sie trat ans Bett und ließ die Decke fallen, öffnete den Mantel. Zwei Hände fassten von hinten nach ihr und halfen ihr aus dem Kleidungsstück.
    Sie schrie.
    Der Klang ihrer Stimme verließ den Raum nicht. Er hallte von unsichtbaren Wänden wider, die sich dicht um sie geschlossen hatten. Sehen konnte sie sie nicht, aber sie fühlte ihre Dicke, wusste, dass die Männer auf der anderen Seite der Tür sie nicht

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