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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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perfektes Dekolleté frei, gefüllt mit zwei sanft gerundeten Fleischhügeln, weiß und begehrenswert, vom sanften Licht der Gaslampen beschienen. Mit jedem Atemzug lebte dieses Bild. Ihr flachsblondes Haar hatte sie zu einer kronenartigen Frisur aufgetürmt, die sie beinahe königlich aussehen ließ, selbst ohne die Smaragd- und Perlennadeln, die darin glänzten. Sie bewegte sich lautlos zwischen den Herrengruppen hin und her, die einzige anwesende Dame, hatte ein Lächeln für jeden und unterbrach mit einfühlsamer Freundlichkeit, wo eine Debatte einmal zu hitzig wurde. Ihre blassgrünen Augen flogen über die gesamte bunte Ansammlung von Gelehrten und Künstlern, die in diesem Haus zusammengekommen waren, um einen Abend gelehrter Disputation zu genießen.
    Er liebte diese Abende, an denen feurige, gebildete Gemüter sich über die alten und neuen Fragen des Lebens hermachten. Es gefiel ihm auch, dass die Crème de la Crème der Schöpfungskraft zu ihm kam, Künstler und Komponisten. Er war der König einer Tafelrunde mentaler Überlegenheit, und seine Königin war die Schönste und Klügste von allen. Sie inspirierte ihn. Sie hatte sein Leben interessant gemacht, es war ein Fest an Herausforderungen und Erfolgen.
    Es hielt ihn allerdings auch beschäftigt. Er bereitete sich auf seine wissenschaftlichen Soireen mit der gleichen Akribie vor wie auf die Vorlesungen an der Universität, denn er wusste, dass seine Reputation mit der Präsentation seiner Weisheit und seines Wissens wuchs, ganz egal, ob er an der Hochschule lehrte oder in seinem eigenen immer bekannter werdenden Salon glänzte. Ideen schienen in dieser Umgebung fast wie von selbst Gestalt anzunehmen. Alltagssorgen waren verschwunden, als ob seine neue Gattin sie fortgezaubert hätte. Er lebte für das Vorankommen großer Gedanken. Von ihm als Mittelpunkt aus wuchsen tiefe Einsicht und bedeutsame Spekulation wie ein Netz durch das Königreich. Sein bisheriges Leben erschien im unverzeihlich langweilig im Vergleich zu der Freude, die er nun spürte. Eine unscharfe Vergangenheit, die gegenüber dem, was wirklich zählte, im Hintergrund verblasste.
    Er lächelte seinen Diskussionspartner beglückt an.
    Feuerbach war kein Universitätsprofessor, aber dennoch ein brillanter Denker. Sein Vetter Anselm, der berühmte Maler, besuchte Professor Lybratte ebenfalls bisweilen, wenn er nicht gerade in Italien weilte. Er brachte seine Künstlerfreunde mit, und diese verliehen den Soireen besonderen Glanz und besonderes Feuer durch ihr Talent. Auch Erfinder und Vorreiter der neuen Technik kamen. Musiker gar. Sogar Richard Wagner war schon da gewesen, doch er hielt sich nicht häufig in München auf. Vielleicht würde eines Tages sogar der König persönlich vorbeikommen. Seine Majestät schätzte Wagner genauso wie er selbst.
    Im Augenblick sprachen sie allerdings nicht über Musik. Sie redeten über objektive Realität.
    „Natürlich gibt es in der Mathematik so etwas wie objektive Wahrheit. Das muss so sein. Doch in jeder Wissenschaft, die noch nicht zur Gänze erforscht ist, muss es zwangsläufig auch Fehleinschätzungen geben, Theorien, die sich von Forschergeneration zu Forschergeneration ändern, ganz wie das auch bisher der Fall war. Solange dieser Wandel noch anhält, wie kann man da von absoluter Wahrheit sprechen?“
    Der Denker starrte ihn an, und Lybratte stellte fest, dass eine ganze Gruppe Gelehrter sich um sie versammelt hatte und einen Kreis um die Disputanten bildete. Sie waren alle sehr unterschiedlich, manche trugen formelle Abendbekleidung, manche waren in unkonventioneller Kleidung gekommen, die eine eher künstlerische Einstellung zum Leben verriet – und vielleicht auch einen dünnen Geldbeutel.
    „Versuchen Sie mir zu sagen, Lybratte, dass, so wir nicht alles wissen, all das, was wir wissen, notwendigerweise falsch sein muss, weil es unfertig ist? Wenn das so wäre, wie wollten Sie je zu einem Urteil über irgendetwas kommen? Sofern Sie nicht eine vollkommene Erkenntnis Ihr Eigen nennen, könnten Sie sich niemals auf irgendetwas verlassen, selbst wenn Sie es selbst erleben. Wir könnten zum Beispiel hier stehen und Ihren exzellenten Punsch trinken – und Ihre exzellente Gattin bewundern – aber nichts davon müsste tatsächlich wahr sein. Wir könnten genauso gut einfach nur Schachfiguren auf dem Brett eines weitaus größer angelegten Spiels sein, das wir nur einfach nicht wahrnehmen.“
    „Das halte ich für denkbar“, erklang eine

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