Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
die von mir nicht erhalten?“
„Ich bin sicher, dass Sie nicht alle Fakten kennen.“
„Dann muss er uns über alle Fakten aufklären.“
„Aber das kann er nicht. Ich schon eher.“
„Inwiefern?“
„Ich könnte sicherlich …“
„Das reicht nicht. Doch ich freue mich über Ihre Loyalität. Wir werden Ihre Meinung gerne berücksichtigen, wenn wir mit unserem Gespräch hier fertig sind.“
„Großmeister, bei allem Respekt …“
„Ich danke Ihnen für den … Respekt, Sutton. Freut mich, dass Sie ihn haben. Sie kommen schon noch zu Wort, das verspreche ich Ihnen. Doch jetzt würde ich mich darüber freuen, wenn Sie uns ein wenig Verstand, ein wenig guten Willen und ein wenig Anstand zuerkennen würden.“
„Das tu ich, aber …“
„Dann warten Sie, bis ich Sie rufen lasse.“
Ian, der noch damit beschäftigt war, sich nach der Manipulation zu sammeln, versuchte den Blick des Amerikaners zu erhaschen und auf den Ranzen zu lenken, doch Sutton lief bereits in Richtung Bibliothek, nachdem er Ian einen aufmunternden Blick und ein Zwinkern geschenkt hatte.
„Kommen Sie, Mr. McMullen. Nehmen Sie Platz!“
Das spartanisch eingerichtete Büro war nicht dazu angetan, Ians Bedenken zu zerstreuen. Er musste ihnen von Catty erzählen. Er musste ihnen sagen, dass die Energielinien aufgeflammt waren, als sie von wo auch immer zurückgekommen war. Dasselbe war geschehen, als sie verschwunden war. Was konnte das bedeuten? Arpad hatte gesagt, dass es ein Sí-Phänomen war. Arpad, an den er noch nicht einmal denken durfte, wenn er überleben wollte. Das wollte er sehr. Er wollte nicht sterben, schon gar nicht bevor er nicht wenigstens einmal in seinem Leben ein Mädchen im Arm gehalten hatte, das keine Katze war.
Oder einen Mann, der kein Mensch war.
Er unterdrückte den Gedanken und ließ sich vor dem Schreibtisch nieder. Er zwang sich zur Ruhe. Man würde ihn befragen, und eine ganze Reihe der Fragen würde seinem frisch erlittenen Herzleiden gänzlich abträglich sein.
„Sie haben ganz München einen Alptraum geschickt!“, begann Valerios. Er lehnte am Fenstersims.
„Das war nicht meine Absicht. Es tut mir leid.“
„Wie haben Sie das gemacht?“, fuhr Spanier fort.
„Warum habe Sie das gemacht?“, fragte der Großmeister.
„Ich musste Bruder Sutton wecken. Es war mitten in der Nacht und die Haustür war verschlossen. Ich wollte nicht die ganze Straße mit meinem Rufen wecken.“
„Weil Sie nicht auffallen wollten?“ Die Frage des Großmeisters entbehrte nicht eines gewissen Spotts.
„Genau.“
„Also haben Sie ihm einen Traum geschickt?“
„Ja. Ich wusste nicht wirklich, wie das geht. Ich habe es einfach ausprobiert. Habe mich konzentriert und gesendet.“
„Sie waren außerordentlich erfolgreich.“
Ian sah beschämt zur Seite.
„Ja, Exzellenz. Es tut mir leid. Offenbar bin ich unfähig, Wirkungen abzuschätzen …“
„Ein Traum über eine Riesenspinne. Die meisten Menschen fürchten sich schon vor kleinen Spinnen. Aber bei Ihnen musste es gleich eine riesige sein, mit zwei Köpfen und Klauen in Dolchgröße. Die leichtgläubigen Menschen – zumal der unteren Schichten – sind nun überzeugt, dass die Apokalypse eingeläutet ist.“
„Das tut mir leid. Ich dachte wirklich nicht …“
„Sie sind erst seit wenigen Wochen bei uns. Niemand wird Sie dafür schelten, dass Sie etwas noch nicht wissen, was man Ihnen noch nicht beigebracht hat. Aber ein Meister – und jeder, der danach strebt, einer zu werden – darf seine Macht nie klobig und ungeschickt einsetzen. Dilettantismus wollen wir doch den Betrügern und Taschenspielern überlassen. Den Zirkuszauberern. Wir tun nichts, nur weil wir es können. Warum haben Sie denn nicht geklopft? Vielleicht hätte es einen Hausmeister gegeben?“
„Das hat Bruder Sutton auch gesagt. Ich hatte nicht an diese Möglichkeit gedacht.“
„Ihre Gedankenlosigkeit ist ein zusätzliches Ärgernis. Bei einer geschlossenen Tür nicht an die Möglichkeit zu denken, dass man klopfen könnte, scheint mir kein gutes Licht auf Ihre analytischen Fähigkeiten zu werfen. Um Magier zu sein – lassen Sie mich dies eine Mal diesen antiquierten Terminus verwenden, um ganz klar zu machen, was wir im Grunde sind – müssen wir immer zuerst die Sachlage in ihrer ganzen Bandbreite analysieren, um Lösungen zu finden. Bevor wir je zu einer magischen Lösung greifen, müssen alle anderen Möglichkeiten erschöpft sein. Also, zuerst klopfen, wenn eine
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