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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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nicht hingehörten. Ein dünnes, verwirrtes Schluchzen entkam ihrer Kehle, und er erklärte: „Du musst mir dein Vertrauen beweisen. Ich brauche es.“
    Eine winzige gespaltene Schlangenzunge küsste ihre Lippen, und sie ließ fast den Kelch fallen. Im gleichen Moment beugte er sich vor, um jenen Ort zu küssen, an dem seine Pianistenfinger die Mondscheinsonate spielten.
    Eine Tür flog auf und schlug gegen die Wand. Licht drang in ihr Zimmer. Erschrocken setzte sich Catrin auf und vernahm das Echo eines langgezogenen, lauten Schreis. Sie selbst hatte geschrien.
    In ihrem eigenen Bett war sie aufgewacht. Es war mitten in der Nacht. Ihre Stiefmutter stand am Fußende des Bettes und starrte sie an. Dann trat sie näher und drehte das Gaslicht hoch.
    „Musst du einen solchen Lärm machen? Du weckst ja das ganze Haus auf! Was ist denn geschehen? Bist du nicht schon ein wenig zu alt, um deine Eltern mit nächtlichem Geschrei wach zu halten?“
    Catrin starrte sie nur an und versuchte zu begreifen, ihre Gedanken zu ordnen, ihr Gemüt zu beruhigen. Sie merkte, dass sie glühte wie im Fieber. Sie spürte auch deutlich die Reste des Verlangens in ihrem Körper brennen und an ihr zerren. Doch da war kein Lord Edmond, kein Kelch und keine Erfüllung, absolut keine Erfüllung.
    Sie hatte geträumt.
    „Nun?“, drängte Lucilla. „Hast du die Sprache verloren?“
    „Ich habe ... geträumt.“
    „Dann tu das bitte in Zukunft, ohne den gesamten Haushalt zu wecken.“
    „Aber es war ein besonders ...“
    „Was hast du geträumt?“
    Es war undenkbar, Lucilla den Inhalt ihres Traumes zu beichten.
    „Es ... war irgendwie anders.“
    „Ich bitte dich inständig, dir in Zukunft ‚andere ‘ Träume zu versagen, wenn sie zur Schlaflosigkeit der gesamten Familie führen. Ich empfehle dir zudem, dich ab morgen nur noch mit kaltem Wasser zu waschen und kalt zu baden. Es heißt, das wäre ein ausnehmend gutes Mittel gegen ‚andere ‘ Träume. Ich werde die Dienerschaft anweisen, dir fürderhin kein warmes Wasser mehr zu bringen. Jetzt schlage ich vor, dass du dein Gebetbuch zur Hand nimmst und darin mindestens zehn Minuten liest, bevor du versuchst weiterzuschlafen. Sieh zu, dass du uns nicht noch einmal weckst.“
    Die Dame des Hauses drehte sich um, schritt durch die Tür und schloss sie hinter sich.
    Durch die Tür konnte Catrin die Stimme ihres Vaters hören. Er klang müde.
    „Was war denn?“
    „Nichts. Das Kind hatte einen Alptraum. Sie ist in einem schwierigen Alter. Geh wieder ins Bett.“
    „Vielleicht sollte ich ...“
    „Jetzt bestärke sie nicht noch. Die entnervenden Wachstumszyklen heranwachsender weiblicher Wesen überlässt man am besten anderen weiblichen Wesen. Glaub mir, du kannst da gar nicht helfen. Sie ist verwirrt genug, ohne dass du dich noch einmischst.“
    „Du weißt es gewiss am besten, meine Liebe.“
    „Ich weiß es ganz bestimmt am besten. Geh ins Bett. Ich komme gleich nach. Ich will nur kurz mit Miss Colpin sprechen.“
    „Komm doch lieber gleich mit, Lucilla, meine Wunderbarste. Ich bin sicher, dass eine Diskussion mit der Gouvernante bis morgen warten kann. Du wirst sie nur aufwecken.“
    „Liebling, ich bin ganz sicher, dass sie nach all dem nicht mehr schläft.“
    „Da magst du recht haben.“
    Catrin hörte ihren Vater auf der Treppe in den ersten Stock. Dort war das elterliche Schlafzimmer. Die Schritte ihrer Stiefmutter auf dem Teppich waren zu leise, aber sie zweifelte nicht daran, dass sie nun zu Miss Colpin gehen würde, deren Zimmer genau neben ihrem eigenen lag.
    Plötzlich war sie entschlossen, sich anzuhören, was da wieder über ihren Kopf hinweg debattiert wurde. Sie schlich zum Fenster und lehnte sich hinaus. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es tatsächlich offen stand. Hatte sie es nicht geschlossen, bevor sie zu Bett gegangen war? Sie war sich nicht mehr sicher.
    Die kalte Nachtluft biss in ihre Haut, doch diesmal war ihr das egal. Sie lauschte angestrengt, konnte aber nichts hören.
    Es mochte an dem Traum liegen, der ihr den Sinn für die Wirklichkeit und deren Gefahren vernebelte, doch sie schwang die Beine auf das Sims, das unter dem Dach um das Haus lief. Dann kroch sie darauf entlang. Einen Moment später wurde ihr klar, was sie da tat. Es war unglaublich. Sie sollte sofort zurückklettern. Sie würde nur abstürzen – oder erwischt werden. Diese Frauen hatten sie noch immer und bei allem erwischt.
    Sie griff nach der Nacht wie nach einem Plumeau, unter dem man

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