Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
über außereuropäische arkane Kulte – wenn man von den klassischen Studien einmal absieht. Die Forschung wird vorangetrieben, aber Meister des Arkanen zu sein bedeutet schon gefährlich zu leben, während man noch in seinem bequemen Sessel sitzt. Wenige von uns entwickeln den Wunsch, das gemütliche Lehrerzimmer unserer Loge gegen einen Platz im Kochtopf eines wilden Stammes einzutauschen. Doch vielleicht werden Sie ja selbst einmal Feldforschungen betreiben, Herr Deiss. Nach Ihrem Arcanum Minor. Wir haben es gerne, wenn Adepten ein wenig reisen und ihren Horizont erweitern.“
Einige der Adepten schienen unruhig zu werden und blickten betreten drein.
„Euer Ehren, ich würde gerne in die Welt reisen und die arkane Kultur der Wilden erforschen“, versicherte Herr Deiss und klang dabei kindlich arglos, nicht zuletzt, weil er den für besondere Zeremonien vorgesehenen Ehrentitel des Großmeisters verwendete.
„Das freut mich“, gab der Großmeister zurück. „Ich erwarte von Ihnen dann in etwa fünfzehn Jahren einen detaillierten Bericht – in dreifacher Ausfertigung.“
„Heute auf der Speisekarte: Roastbeef vom Arkan-Forscher“, murmelte eine Stimme in der letzten Reihe. Ein Kichern waberte durch den Raum.
„Was war das, Sievers?“
„Gar nichts, Großmeister“, antwortete Gerald Sievers schnell.
„Das denke ich auch.“
Als hätte sich die Prima nicht schon genug blamiert, stellte Gustav Schreiner die nächste Frage.
„Warum bitten wir nicht einfach Mr. McMullen, uns mehr über die Sí zu erzählen? Er soll doch angeblich so viel über sie wissen. Vielleicht kann er ja erraten, was sie wollen – wenn er nur will.“
„Danke für den Vorschlag. Nach der Sitzung hätte ich gern eine Unterredung mit Ihnen. In meinem Büro. Was Mr. McMullen angeht, so kann er die Frage vielleicht selbst beantworten.“
Ian erhob sich.
„Meine Herren“, begann er, denn er wagte noch nicht, die Anwesenden als Brüder zu bezeichnen. „Ich weiß sehr wenig. Das Erlebnis, das ich hatte – und das in den Annalen detailliert verzeichnet und rapportiert ist, so dass es jeder in der Bibliothek nachlesen kann ...“ Er schenkte Schreiner ein vielsagendes Lächeln. „... hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass die Fey sehr unterschiedlich sind, jeder von ihnen seinen höchsteigenen Plänen folgt, und wiederum jeder gewisse Regeln zu befolgen hat, die ebenfalls von Kreatur zu Kreatur unterschiedlich sein mögen. Ebenso individuell verschieden ist ihr Verhältnis zu Menschen, genauso ihre Kräfte. Menschen unterscheiden sich in Charakter, Aussehen und Kultur. Die Unterschiede verschiedener Fey scheinen weitaus größer zu sein. Meiner Meinung nach gibt es hier nur eine fließende Grenze zwischen dem Übernatürlichen und dem Göttlichen sowie auch dem Übernatürlichen und dem Teuflischen. Menschen können gut oder böse sein. Feyons auch. Sie sind in allem jedoch weitaus extremer. Wir kennen ihre Regeln nicht, auch nicht ihre Ziele, und so können wir ihre Absichten nicht einmal erraten. Sie können großmütig und freundlich sein oder brutal und destruktiv. Oder beides gleichzeitig.“
„Wenn Sie behaupten, es gäbe keine klare Trennung zwischen dem Übernatürlichen und dem Göttlichen, Mr. McMullen, ist das eine religiöse Aussage. Ich muss Ihnen sagen, dass ich Ihre Einstellung geradezu für ein Sakrileg halte.“
„Es tut mir leid, dass Sie das so sehen, Herr Lachner“, entgegnete Ian höflich.
„Mr. McMullen …“
„Ich weiß, dass Sie ein gläubiger Mensch sind, Bruder Lachner“, unterbrach der Großmeister. „Doch im Moment haben wir keine Muße, über Dogmen zu streiten. Bitte diskutieren Sie diese Thesen privat mit Mr. McMullen zu einem späteren Zeitpunkt.“
Der Adept verneigte sich höflich vor dem Großmeister, und der Akolyth tat es ihm gleich.
„Mr. McMullen“, fragte nun einer der höherrangigen Akolythen. „Sie sagen, Sie können keine gemeinsamen Ziele der Sí ausmachen? Wie kann das sein?“
„Sie scheinen mir keine soziale Struktur zu haben. Kein Staatswesen. Keine Politik. Zumindest ist uns nichts davon bekannt. Wir Menschen sind wie Herdentiere – sie hingegen scheinen sehr individuelle Einzelwesen zu sein, obwohl sie zumindest eine Art Hierarchie zu haben scheinen. Es gibt kein Land, kein Reich der Sí – zumindest weiß ich von keinem. Doch das ist genau der Punkt. Was immer wir über die Sí erfahren ist durch den Filter unserer eigenen Wahrnehmung bereits
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