Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Sie können sie nicht sehen, können sie mit ihren Apparaten nicht messen, also sind sie überzeugt, dass es sie nicht geben kann.“
„Mr. Sutton, Ihr Benehmen …“
„Meister Valerios, Mr. Suttons Benehmen mag ein wenig … kolonial … sein, aber er hat recht. Eine offizielle Bitte um Unterstützung würde uns bestenfalls der Lächerlichkeit preisgeben, abgesehen davon, dass wir damit sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf und zögen, als mir lieb ist. Das muss doch auch unauffälliger gehen.“
Ian hob die Hand.
„Großmeister, ich teile meine Wohnung mit einem Kunststudenten, der zu den regelmäßigen Soireen einer der prominentesten Angehörigen des Lehrkörpers der Universität eingeladen wird. Wissenschaftler, Philosophen und Künstler treffen sich da und diskutieren physische und metaphysische Dinge, sagte man mir. Vielleicht kann er ja mehr herausfinden?“
„Da würde man doch auch einen völligen Außenseiter mit einbinden!“, beschwerte sich Bartel.
„Sie selbst wollten gerade eine offizielle Eingabe machen …“, schnaubte Valerios.
Ian setzte sich wieder und fühlte sich ein wenig albern.
„Mr. McMullen“, sagte der Großmeister. „Kommen Sie nachher in mein Büro und erzählen Sie mir mehr über diese Soireen. Auch über den jungen Mann, mit dem Sie Ihre Unterkunft teilen. Vielleicht kann er ja tatsächlich helfen. Natürlich müssen wir mehr über ihn wissen, bevor wir ihn mehr über uns wissen lassen.“
Verdammt. Ian biss sich auf die Lippen. Mit dem Großmeister über Treynstern zu sprechen war genau das gewesen, was er hatte vermeiden wollen.
Großmeister Urqhart erhob sich.
„Meine Herren. Es ist klar, dass wir heute noch keine Lösung finden können. Ehe ich die Versammlung aufhebe, möchte ich Sie aber alle bitten, die Theorien und Möglichkeiten, die heute hier angesprochen wurden, noch einmal kritisch zu überdenken. Machen Sie sich Notizen und schreiben Sie auch alle Ideen auf, die Ihnen dazu einfallen mögen. Diskutieren Sie ruhig untereinander, aber lassen Sie auch nicht in Ihrer Forschungsarbeit nach. Wir werden der Sache schon auf den Grund gehen. Aber wir müssen im Auge behalten, dass wir eventuell nicht sehr viel Zeit haben. Unsere drei bewusstlosen Brüder können ihr Koma eine Weile überleben – mit unserer arkanen Hilfe, doch langfristig werden sie sterben. Außerdem kann dasselbe Schicksal jeden hier noch treffen. Unsere nächste Sitzung ist für morgen anberaumt, und ich möchte das Thema Energielinien vertiefen. Ich erwarte von jedem, dass er sich darauf vorbereitet, mental und was das Wissen darüber angeht. Alle, von den Meister bis zu den Primanern.“
Er stieg vom Podium, und alle erhoben sich.
„Herr Schreiner, bitte kommen Sie in mein Büro. Mr. McMullen, ich erwarte Sie in zehn Minuten. Professor Bartel, schreiben Sie mir eine Liste mit allen Naturwissenschaftlern, die in dieser Stadt leben. Valerios, ich wäre dankbar, wenn Sie nachher zu mir stoßen könnten.“
Die Sitzung war vorüber.
Kapitel 13
Sie brauchten Vorhänge, etwas, das das Licht hereinließ, ohne dass die Leute von gegenüber in das provisorische Atelier schauen konnten. Thorolfs Quartier lag im obersten Stockwerk, direkt unter dem Dach, und dafür war er dankbar. Wenn die Gebäude auf der anderen Straßenseite nicht niedriger gewesen wären, hätte er das Modell gar nicht malen können, wie es war. Dennoch, Vorhänge würden langfristig von Nutzen sein.
Die junge Frau war die Treppen hochgekommen, in der Hand noch den Zettel mit seiner Adresse. Sie hatte auf einen Blick gesehen, dass er zwar nicht reich war, aber doch auch nicht in Armut lebte wie viele angehende Maler. Die Wohnung war gut und modern, sauber und einigermaßen geräumig. Die Einrichtung stammte aus zweiter Hand, wirkte aber nicht allzu schäbig. Auch der Maler selbst war kein dürrer Hungerkünstler, sondern offenbar jemand, der einer höheren Schicht angehörte als sie selbst, ein ‚besserer Herr ‘ , der etwas auf sich hielt.
Sie ließ den Blick über die Umgebung und über den Künstler selbst gleiten, dann wurde sie ausnehmend freundlich, lieb und zutraulich.
„Kaffee!“, seufzte sie sehnsüchtig und atmete tief den Duft in der Wohnung ein.
Mit schlechtem Gewissen machte er ihr eine Tasse. An einem Wochentag. Den nächsten Beutel Kaffee würde wohl er bezahlen müssen. McMullen mochte es bestimmt nicht, wenn er das teure Getränk an Aktmodelle ausschenkte. Seine schottische Mutter wäre entsetzt.
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