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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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ich sie positionieren werde. Danach möchte ich Sie in Öl malen. Das wird eine ganze Reihe von Sitzungen in Anspruch nehmen. Mehr ist es aber nicht.“ Hatte es nicht zu sein. Er war nach München gekommen, um Kunst zu studieren und nicht um sein Fleisch in das erstbeste Aktmodell zu senken, das er traf.
    Sie zuckte die Achseln und schenkte ihm ein vielversprechendes Lächeln.
    „Wie Sie wollen, Herr Treynstern. Sie zahlen für meine Zeit, und Sie sehen sehr … begabt … aus.“
    Die Art, wie sie das sagte, ließ ahnen, dass sie nicht seine künstlerische Begabung meinte. Sie arrangierte sich auf dem Sofa, kreuzte die Füße, faltete die Hände hinter dem Kopf. Sie sah nett aus. Aber die gekreuzten Beine wirkten unnatürlich. Vielleicht sollte er sie wieder … besser nicht.
    Er versuchte, sich vorzustellen, mit wie vielen Künstlern sie schon pausiert hatte. Mit dem ehrgeizigen von Piloty vielleicht? Der malte gemeinhin keine Akte, sondern brillierte in historischen Szenen, in denen die Heldinnen und Helden jedoch auch oft nicht eben für höfliche Konversation gekleidet waren. Wie stand es mit Pilotys Schülern – Defregger, Makart oder Gabriel Max? Kannte sie sie alle? Hatten sie alle sie ... erkannt?
    Oder gar von Kaulbach, der Direktor der Akademie? Hatte er das mollige Mädchen genossen? Wie stand es um von Schwind mit seinem schwierigen Charakter und seiner bissigen Art? Konnte es sein, dass seine Märchenwesen auf der Körperstruktur von Fräulein Magdalena basierten, die gerne pausierte und dafür extra bezahlt wurde?
    „Kennen Sie viele Leute an der Akademie?“
    „Ich kenne fast alle Professoren und auch ein paar Studenten. Ich sitze ihnen im Unterricht Modell. Nicht jeder Künstler hat so eine Wohnung wie Sie, Herr Treynstern. Nicht jeder kann es sich leisten, privat für Sitzungen zu zahlen. Sind Sie sehr reich?“
    Die Frage war unverschämt und klang nicht halb so unschuldig, wie sie das wohl sollte.
    „Nein, Fräulein Magdalena.“
    „Nennen Sie mich Lena.“
    „Nein, Lena, ich bin nicht reich. Ich hoffe, dass mein Geld mich durchbringen wird, bis ich von meiner Kunst leben kann. Das heißt, ich muss schnell lernen. Aber ich habe natürlich immer schon gezeichnet und mit Wasserfarben gemalt. Ich hatte nur nie genug Zeit dafür.“
    Sie schwiegen, und er konzentrierte sich auf Stift und Papier. Da lag sie nun hingebreitet in seinem Skizzenblock, mollig und einladend. Ihr Körper war ihm gut gelungen. Ihr Gesicht schien ihm aber nicht von der Hand zu gehen.
    „Lächeln Sie mal!“ Vielleicht würde ein Lächeln ja helfen.
    Sie lächelte. Ihre Zähne waren schlecht und etwas gelb.
    „Mit geschlossenem Mund.“
    Sie kommentierte keine seiner Anweisungen, tat einfach wie ihr geheißen. Er arbeitete schweigend weiter. Sie unterbrach ihn nicht.
    „Können Sie sich ein wenig drehen? Mehr auf den Rücken? Genau so!“
    Ihre Hand spielte nachdenklich mit ihren unteren Locken, doch er war zu versunken, um davon berührt zu werden.
    „Nicht bewegen!“
    Er bekam einfach ihr Gesicht nicht hin.
    „Sehen Sie mal zur Decke.“
    Vielleicht lag es ja am Sofa. Er hatte nicht versucht, es zu zeichnen, hatte sie einfach in die Landschaft gelegt. Eine nackte Frau. Gebüsch. Er musste wirklich dumm sein. Da bezahlte er diese Frau stundenweise, damit sie für ihn nackt herumlag, und er zeichnete erdachtes Unterholz.
    „Ich fange noch mal vorn an“, sagte er, wütend auf sich selbst. Er war nun konzentriert, und sie hatte ihren Reiz verloren, war nur noch ein Objekt, das auf Papier gebannt wurde.
    Ein neues Blatt. Er spitzte seinen Stift.
    „Soll ich …“
    Er bedeutete ihr, still zu sein.
    „Bleiben Sie einfach liegen.“
    Er musterte sie erneut.
    „Wenn Sie vielleicht Ihren Kopf ein wenig zurücklegen wollen? Kinn hoch.“
    Da war sie wieder auf dem Skizzenblock. Zeichnungen hatte er immer schon ausnehmend schnell anfertigen können. Sie lag da wie eine Liebende. Nein. Doch nicht, eher wie ein Opfer. Ihre Kehle war dem Schicksal entgegengestreckt, ihr Mund in einem lautlosen Schrei geöffnet. Die Nacht hörte sie, doch sonst kein einziger Mensch. Ein gigantisches Spinnenwesen saß auf ihr, seine zahnigen Mäuler über ihr. Krallen schnitten ihr ins Fleisch. Eine viel zu große Alptraumkreatur direkt aus der Hölle, und sie tat ihr etwas an, etwas Unaussprechliches, genau dort zwischen den Büschen.
    Schon wieder hatte er Gehölz gezeichnet – und einen Mord. Er starrte die Zeichnung an. Ein

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