Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Spinnenwesen, mindestens so groß wie ein Tisch, acht dornenartige Extremitäten hielten sein Opfer fest, Blut floss vom geschundenen Körper. Du lieber Gott! Warum hatte er das gezeichnet? Er legte die Zeichnung umgedreht auf den Tisch.
„Kann ich sie sehen?“, fragte sie.
„Nein. Sie ist nichts geworden.“
„Alle Herren zeigen mir ihre Kunst!“
„Ich zeige Ihnen eine Zeichnung, wenn ich damit zufrieden bin.“
„Kann ich mich mal bewegen? Ich kriege einen Krampf.“
„Bitte.“
Sie setzte sich auf und streckte sich. Er beobachtete sie gelassen und stellte fest, dass er das nun konnte. Ihre vollen Brüste, ihr hübscher, runder Körper waren keine Einladung mehr, nur noch Studienobjekt. Der Schemen eines seinen Gedanken entsprungenen Monsters, das irgendwo auf sie lauerte, um sie zu zerreißen, hatte jegliche erotische Stimmung zerstört.
Nun saß sie breitbeinig da, und ihm wurde klar, dass sie immer noch auf eine Sonderzahlung hoffte. Im Grunde konnte er sich eine Pause, wie sie sie vorschlug, leisten. Doch der Reiz war fort. Ihr Körper stellte keine Provokation mehr da, war nur noch eine Angelegenheit von Licht und Schatten, Linien und Bewegung. Er mochte Frauen, die weich zu halten waren, kuschelige Frauen mit großen Brüsten und netten, runden Hinterteilen. Es machte ihm auch nichts aus, dass sie vielleicht auf der falschen Seite der Dreißig angelangt war und somit älter als er. Wenn er sich zu ihr hingezogen fühlen würde, wäre das irrelevant.
„Mögen Sie Spinnen?“
Sie schüttelte sich übertrieben.
„Niemand mag Spinnen. Also wirklich!“
Besonders nicht, wenn sie groß genug waren, dass man zu ihrem Abendessen werden konnte. Er verstand immer noch nicht, was er da gezeichnet hatte. Spinnen waren nichts, womit er sich je beschäftigt hatte.
„Auf dem Tisch ist ein Krug Wasser, falls Sie einen Schluck trinken möchten.“
Sie stand auf und goss sich ein Glas ein.
„Sie trinken Wasser, während Sie zeichnen?“
„Ja. Ist das so etwas Besonderes?“
Sie lächelte und trat auf ihn zu, ohne Hemmungen ob ihrer Nacktheit zu haben.
„Viele Ihrer Kollegen trinken Wein oder Bier. Sie sagen, es erhöht ihre Wahrnehmung.“
„Das bezweifle ich.“
„Sie sagen, es inspiriert sie.“
„Sie inspirieren mich durchaus genug. Danke.“ Sie war ihm nun so nahe, dass er ihre Körperwärme spüren konnte. Sicher würde sich ihre Haut zart anfühlen. Er zwang seine Gedanken zu Licht und Schatten, Linien und Bewegung zurück.
„Ach, tue ich das?“ Sie rückte noch näher, berührte ihn schon fast.
„Sie scheinen gut ausgeruht zu sein. Können wir weitermachen?“
„Malen?“
„Malen!“
Sie schenkte ihm ein geheimnisvolles Lächeln mit geschlossenen Lippen, hob die Hand und streichelte seine Wange mit zwei Fingern.
„So ein Pech. Da werde ich vom bestaussehendsten Maler der ganzen Stadt verpflichtet, und alles, was er will, ist malen.“
Er umfasste ihr Handgelenk, nahm ihre Finger aber nicht fort. Ihre Haut war glatt und warm.
„Danke für das Kompliment.“ Er grinste. Vielleicht doch eine kleine Pause?
„Natürlich sieht Herr Feuerbach auch gut aus. Irgendwie wild. Romantisch.“
„Ach ja?“
„Ja. Er ist nur nicht sehr oft hier. Nur alle paar Monate. Doch Sie sind auch romantisch. Grade so wie ein griechischer Gott. Ich war mal in der Glyptothek, wissen Sie. Ich möchte wetten, Ihre Kollegen an der Akademie würden Sie gerne malen.“
Er kicherte. Tatsächlich hatten ein oder zwei Maler ihn eben aus diesem Grund bereits gefragt, ob er für sie Modell sitzen würde. Er hatte sich herausgeredet. Er wollte nicht, dass man ihn für nicht hilfsbereit hielt, doch er hatte keine Lust vor seinen Kollegen zu sitzen mit nichts bekleidet als einem Laken. Deswegen war er nicht nach München gekommen. Griechische, klassische Motive waren allerdings auch nicht mehr so in Mode wie noch dreißig Jahre zuvor, unter König Ludwig I. Der Monarch hatte alles Griechische geliebt, hatte seinen eigenen Sohn, Otto, als König nach Griechenland geschickt, in ein Land, das seit fast eintausend Jahren zum ersten Mal nicht mehr unter türkischer Herrschaft stand. Nur war Romantik keine Grundlage für eine vernünftige Herrschaft.
Thorolf wusste, dass er gut aussah. Er hatte sich nie viel darauf eingebildet, es war eben so. Nun wirkte seine eigene Anziehungskraft sogar bei einer „weitgereisten“ Frau wie Lena. Ein wenig amüsierte ihn das. Vielleicht war sie jedoch auch einfach nur
Weitere Kostenlose Bücher