Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
im Übrigen … besteht denn nicht die Möglichkeit, dass Bojan nur leere Drohungen ausgesprochen hat? Er hat jetzt einen Vorgeschmack darauf bekommen, was es heißt,im Gefängnis zu sitzen. Er dürfte nicht allzu versessen darauf sein, bald wieder hinter Gitter zu kommen. Außerdem kann ich nicht glauben, dass ein Erwachsener ernsthaft ein Kind verletzen würde.«
»Verstehen kann man das nicht. Aber hätten Sie erlebt, wie er die Kleine angesehen hat, hätten Sie keinen Zweifel mehr daran, dass er dazu fähig wäre.« Bis ans Ende seines Lebens würde Jonathan die Bösartigkeit in Bojans Augen und den Tonfall, in dem er gesprochen hatte, nicht mehr vergessen.
Erin war entsetzt. »Dann werde ich Will fragen, ob er nicht einen Constable abstellen kann, der das Haus bewacht. Ich bestehe darauf. Wir müssen die Kleine beschützen.«
Jonathan runzelte die Stirn.
»Stimmt was nicht?«, fragte Erin.
»Constable Spender ist überzeugt, dass ich den Opal habe, von dem Bojan denkt, Andro hätte ihn gestohlen. Er glaubt sogar, dass ich für diesen wertvollen Stein Marlees Leben aufs Spiel setzen würde«, sagte Jonathan wütend.
»Das tun Sie ganz sicher nicht«, beruhigte Cornelius ihn. »Er hat offenbar keine Ahnung, was für ein Mensch Sie sind und wie sehr Sie dieses kleine Mädchen lieben.«
Erin konnte kaum glauben, dass Will solch eine Anschuldigung vorgebracht hatte. Sie war maßlos enttäuscht. Doch dann versuchte sie, die Sache von seiner Warte zu sehen. »Als Polizist betrachtet Will eine Situation von allen Seiten, ohne sich von Gefühlen leiten zu lassen«, erklärte sie. »Bestimmt hält er Sie nicht für einen schlechten Menschen.«
Jonathan bemühte sich um Verständnis. »Dann hätte er das sagen sollen«, sagte er.
»Er ist eben bloß ein argwöhnischer Polizist«, platzte es aus Cornelius heraus. Er hatte Wills Benehmen Jonathan gegenüber schon miterlebt. Für ihn stand fest, dass der Constable eifersüchtig auf Jonathans Nähe zu Erin war. Und das war sein Motiv dafür, dass er Jonathan verdächtigte, unaufrichtig zu sein.
»Trotzdem glaube ich, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, um für unsere Sicherheit zu sorgen«, sagte Erin.
»Verlassen sollten wir uns lieber nicht darauf«, entgegnete Cornelius. »Alice Springs ist nicht sein Einsatzgebiet, also kann er nicht einfach einen hiesigen Constable dafür abstellen, unser Haus zu bewachen. Die Machtbefugnis hat er gar nicht.«
»Und Drohungen werden offenbar nicht sonderlich ernst genommen«, sagte Jonathan frustriert.
»Das wissen wir nur zu gut, nicht, Erin? Als Bojan uns bedrohte, konnte Will auch nichts unternehmen.« Cornelius sah Erin an. »Hast du einen Brief von zu Hause bekommen?«, fragte er.
»Ja, von Bradley. Ich habe ihn noch nicht gelesen, das werde ich jetzt tun.« Erin nahm den Brief mit hinaus auf die schattige Veranda und öffnete ihn.
Liebe Erin,
ich hoffe, Dir geht es gut und Du verlebst mit Onkel Cornelius eine schöne Zeit im sonnigen Australien. Hier ist inzwischen der englische Winter hereingebrochen, die Kälte und die Trübheit spiegeln meine Stimmung in letzter Zeit.
Leider kann ich Dir, liebe Erin, nicht berichten, dass die Dinge hier sich zum Besseren gewandelt haben. Dad geht es neuerdings nicht so gut. Er versucht, das zu verbergen, aber ich sehe deutlich, dass er nicht mehr der Alte ist. Viel zu spät hat er begriffen, dass die Galerie in Knightsbridge kurz vor dem Ruin steht, wenn ich auch nicht weiß, wie er hat übersehen können, dass sie sich seit einer ganzen Weile schon auf dem Weg dorthin befunden hat – und dass es kein Zufall ist, dass die Krise eintrat, als diese schreckliche Frau, Lauren Bastion, in sein Leben kam. Natürlich sieht Dad immer noch nicht ein, dass sie die Verantwortung dafür trägt. Wann immer er zum Arbeiten in die Galerie geht, taucht sie auf und lenkt ihn ab.
Bisweilen scheint Dad nicht zu wissen, wo sich Lauren aufhält, und das macht ihm sehr zu schaffen. Sie kommt dann immer mit dürftigen Ausreden, die er akzeptiert, ich hingegen bin sicher, sie trifft sich mit e inem anderen Mann, vielleicht sogar mit mehreren anderen Männern. Mehr als einmal bin ich ihr gefolgt. Sie nimmt sich Zimmer in Hotels und bleibt stundenlang. Es ist offensichtlich, dass sie dort nicht allein ist, doch selbst wenn ich sie in flagranti mit einem Mann erwische − Dad würde mir nicht glauben. In seinen Augen kann sie gar nichts falsch machen. Ich weiß nicht mehr, was ich machen
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