Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
sie da gesagt hatte. »Nein, Sie legen mir da Worte in den Mund …«
»Genau diese Worte sind aus Ihrem Mund gekommen«, sagte Carol-Ann. »Und ich würde nur gern verstehen, wieso. Wenn er unterhalb Ihrer gesellschaftlichen Stellung steht, sollten Sie vielleicht einmal darüber nachdenken, weshalb Sie sich in sein Privatleben einmischen.« Damit wandte sie sich sichtlich angeekelt ab und marschierte davon.
Erin stand wie angewurzelt da und sah Carol-Ann hinterher. Ja, wieso mischte sie sich eigentlich ein? Jonathan war ein erwachsener Mann, der seine eigenen Entscheidungen treffen konnte. Sie konnte nicht leugnen, dass es ihr nicht gefallen hatte, ihn mit jemandem wie Carol-Ann zu sehen. Aber gab ihr das das Recht, diese Frau anzugreifen? Sie schämte sich, sie schämte sich so sehr. Mit klopfendem Herzen machte sie sich auf den Nachhauseweg.
Erin und Jonathan frühstückten auf der vorderen Veranda. Erneut sprachen sie über die Drohungen, die Bojan gegen Marlee ausgesprochen hatte. Sie stimmten weiter darin überein, dass es wichtiger denn je war, Marlees Familie zu finden und den Leuten das Kind zu übergeben, damit es vor Bojan geschützt war.
Erin hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Das, was Carol-Ann zu ihr gesagt hatte, war ihr noch lebhaft im Gedächtnis. Sie konnte zugeben, dass sie Jonathan sehr mochte, aber war sie verliebt in ihn? Sich Gefühle der Verliebtheit je wieder zu erlauben schien ihr unmöglich, da man ihr auf so üble Weise das Herz gebrochen hatte. Was sie noch mehr beschäftigte, war jedoch, dass sie glaubte, ein früherer Barkeeper und jetziger Minenarbeiter sei nicht gut genug, um mit ihr auszugehen. Der Gedanke war absurd, die wenigen Männer, mit denen sie sich vor der Verlobung mit Andy getroffen hatte, waren allerdings alles Geschäftsleute gewesen oder in der Kunstbranche tätig. Nur widerwillig mochte sie daran denken, dass sie möglicherweise ein klassenbewusster Snob war. Sie erweckte jedenfalls diesen Eindruck. Beim Frühstück hatte sie versucht, den Mut aufzubringen, mit Jonathan über Miss Watson zu reden. Aber da die Unterhaltung mit ihr so schlecht gelaufen war, hatte sie Angst, ihm gegenüber das Thema anzusprechen.
Ein Auto fuhr vor, und Constable Will Spender und Jirra Matari stiegen aus.
»Jirra ist gestern Abend zurückgekommen. Er kann Sie also jetzt zu Marlees Familie bringen«, sagte Will knapper, als er beabsichtigt hatte. Er spürte, dass es ihn ärgerte, Erin und Jonathan so vertraut miteinander auf der Veranda sitzen zu sehen.
»Jetzt?«
Jonathan hatte auf diesen Moment gewartet, aber nun, da er gekommen war, fühlte er sich wieder hin und her gerissen. Mit der Sorge um Marlees Sicherheit hatte er eine schlaflose Nacht verbracht, ihr seelisches Wohlergehen war ihm allerdings genauso wichtig.
»Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass Bojan die Stadt nicht verlassen hat«, warnte Will Jonathan, froh, seinen Kontrahenten um Erin bald aus dem Weg zu haben.
»Das bezweifle ich nicht«, erwiderte Jonathan. »Er scheint entschlossen, seinen verlorenen Opal zu finden, und er glaubt, wie gesagt, dass ich weiß, wo er ist.«
Will warf einen kurzen Blick auf Erin. »Durch Ihre Anwesenheit hier bringen Sie Erin und ihren Onkel in Gefahr, Jonathan«, sagte er.
»Das ist nicht fair, Will«, wehrte Erin ab. »Das ist doch nicht Jonathans Schuld.«
»Er hat recht, Erin«, stimmte Jonathan dem Constable schuldbewusst zu.
»Wir sollten jetzt gehen«, bemerkte Jirra, der sich so schnell wie möglich auf den Weg machen wollte.
Jonathan sprang auf. »Ich packe bloß ein paar Sachen für Marlee zusammen«, sagte er.
»Ich werde Sie begleiten.« Erin stand ebenfalls auf. Sie wollte Jonathan bei so etwas Schmerzlichem wie dem Abschied von Marlee nicht allein lassen.
»Ich denke, das ist keine so gute Idee«, erklärte Will. »Es könnte ein mehrstündiger Fußmarsch sein.«
»Wenn Marlee das durchhält, kann ich das ganz gewiss auch«, beharrte Erin. Sie würde stark für die beiden sein.
»Sind Sie sicher, Erin?«, fragte Jonathan.
Er machte sich erneut Sorgen darüber, wie sie alle die Begegnung mit Marlees Familie verkraften würden. Und Marlee würdeganz bestimmt sehr verstört sein. Auch er selbst sah dem Ganzen mit Schrecken entgegen.
»Ich bin sicher«, erklärte Erin bestimmt. Nichts und niemand würde sie von ihrem Vorhaben abbringen.
Jonathan, Erin und Marlee folgten Jirra Matari durch das trockene Flussbett des Todd River. Jirra genoss den Marsch
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