Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
in der heißen Sonne, doch Jonathan bestand darauf, dass sie sich auf der Seite des ausgetrockneten Flussbettes hielten, auf der Gummibäume mit ihren ausladenden Ästen Schutz vor der sengenden Sonne boten. Papageien kreischten, doch ansonsten waren ihre Schritte das einzige Geräusch, das sie hörten. Immer wieder einmal sahen sie Aborigines, die an den Ufern kampierten und ihnen neugierige Blicke zuwarfen. Jirra grüßte sie, blieb aber nie stehen, um mit ihnen zu reden.
Marlee lief an Erins Hand, ihren Teddy hielt sie fest an sich gedrückt. Sie trug einen Hut, den Erin ihr gekauft hatte, neue Sandalen und ein hübsches Kleid. Erin sagte sich wieder und wieder, dass es das Richtige war, Marlee zu ihren Aborigine-Verwandten zu bringen. Das war für sie die einzige Möglichkeit, mit dem bevorstehenden Abschied von der Kleinen fertigzuwerden. Sie konnte sehen, wie angespannt Jonathan war, und sie wusste, dass es ihm genauso ging. Der Weg zurück in die Stadt ohne Marlee würde unerträglich sein.
Anderthalb Stunden später gelangten sie zu einem Aborigine-Lager. Jirra sprach mit den Eingeborenen, die an einem Feuer saßen und eine Waraneidechse grillten.
»Das sind die Anangu-Leute, Marlees Verwandte. Sie haben euch erwartet«, sagte er zu Jonathan.
Marlee klammerte sich an Jonathans Hand, Erin legte ihr den Arm um die Schultern. Neugierig betrachtete die Kleine die Aborigines, hielt aber Abstand.
Jirra sprach mit zwei Männern, die sich an die Frauen in der Gruppe wandten. Zwei von ihnen standen von ihren Plätzennahe beim Lagerfeuer auf. Sie kamen näher, Jonathan und Erin ignorierten sie. Die Ältere der beiden sprach mit Marlee, sie wirkte sehr traurig. Tränen strömten ihr die Wangen hinunter, als sie Marlees Gesicht in ihre abgearbeiteten Hände nahm. Jonathan musterte sie genau. Er entdeckte eine gewisse Ähnlichkeit mit Gedda. Doch die jüngere Frau sah ihr noch ähnlicher. Er nahm an, dass sie Geddas Schwester war.
»Sind diese Frauen Marlees Großmutter und Tante?«, fragte er Jirra Matari.
Jirra nickte.
Auf einmal sank die ältere Frau auf die Knie und zog Marlee in ihre Arme, hielt sie fest und wiegte sie schluchzend. Marlee sah sich verängstigt über die Schulter nach Jonathan um. Er wollte ihr helfen, wusste aber nicht, was er machen sollte. Schließlich war es Erin, die mit der Kleinen sprach.
»Die Frau, Marlee, ist deine Großmutter. Sie drückt ihre Freude darüber aus, dass sie dich kennenlernt.«
Marlees Großmutter klammerte sich an sie, ihre Tante strich ihr übers Haar und plapperte aufgeregt in der Anangu-Sprache vor sich hin. Das alles war zu viel für Marlee, doch Jonathan wusste nicht, wie er den Frauen das vermitteln sollte. Als die Tante versuchte, Marlee den Teddy aus den Armen zu zerren, geriet die Kleine in Panik. Sie riss sich aus der Umklammerung der Großmutter los und warf sich schreiend Jonathan in die Arme. Dann begann sie zu schluchzen, den Teddy eng an die Brust gedrückt.
Jonathan umarmte Marlee und versuchte, sie zu beruhigen. Er bemühte sich, Jirra Matari klarzumachen, dass Marlee ihren Teddybär liebte und immer und überall mit sich nahm. Er flehte den Fährtensucher an, den Frauen zu erklären, wie wichtig der Teddy für Marlee war. Das tat Jirra Matari. Die Frauen schienen verwirrt, aber sie akzeptierten Jirras Erklärung für Marlees Verhalten.
»Die Großmutter ist sehr froh, dass Sie das Kind gebracht haben«, sagte Jirra. »Sie dankt Ihnen. Sie sagt, sie kümmert sich um das Mädchen, wir können es jetzt hierlassen.«
»Moment«, rief Jonathan, als Jirra sich schon auf den Weg machen wollte. »Ich habe nicht gesagt, dass ich sie jetzt schon allein hierlasse.«
»Ihre Familie will sie«, sagte Jirra. »Sie sind nicht ihre Familie.«
»Ich bin ihr Vormund«, erklärte Jonathan entschieden, seine Stimme zitterte vor Gefühlsaufruhr. »Ich habe die Verantwortung für sie.«
Erin fasste Jonathan am Arm. »Wir müssen an ihre Sicherheit denken«, erinnerte sie ihn.
Jonathan fuhr sich durchs Haar. »Wir bleiben noch eine Weile und sehen, wie es Marlee hier bei ihrer Familie gefällt«, sagte er zu Jirra Matari.
Der Fährtensucher nickte.
Erin und Jonathan setzten sich in den Schatten eines Gummibaums ganz in die Nähe der Aborigines. Jirra hatte Jonathan erzählt, dass Marlees Verwandte noch eine Weile in der Gegend kampieren wollten, wie lange genau, konnte er nicht sagen. Es lag einfach nicht in der Natur der Aborigines, sich festzulegen.
Die
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