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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sprach keiner ein Wort.
    »Bist du sehr böse mit uns, Dad?«, fragte Erin verzagt.
    »Ich verstehe, weshalb ihr das getan habt«, sagte Gareth. Er sah sie nicht an.
    Erin wünschte, sie könnte ihrem Vater seinen Kummer nehmen. »Doch du bist wütend auf uns, weil wir dich belogen haben«, sagte sie und verstand. »Ich weiß, zur Unehrlichkeit sind wir nicht erzogen worden …«
    »Ich sollte wütend sein, aber ich bin froh, dass ihr das gemacht habt«, unterbrach Gareth seine Tochter, womit er sie völlig überraschte. »Tief in mir wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Seit Wochen schon. Andauernd ist sie für mehrere Stunden abgetaucht, hat irgendeine fadenscheinige Ausrede vorgebracht. Den Grund für all das wollte ich einfach nicht sehen. Ich wollte nicht glauben, dass sie …« Er stützte den Kopf in die Hände. »Im Grunde bin ich erleichtert darüber, dass sie aus meinem Leben verschwindet.«
    »Erleichtert siehst du allerdings nicht gerade aus«, erklärte Bradley wahrheitsgemäß.
    Gareth schaute auf. »Das ist nur, weil ich mir wie ein Idiotvorkomme. Werdet ihr mir je verzeihen, dass ich so dumm gewesen bin?«
    Erin und Bradley hatten ihren Vater nie so reden hören. Sie setzten sich alle drei aufs Sofa. »Da gibt es nichts zu verzeihen, Dad«, sagte Bradley mitfühlend.
    »Du warst nach Moms Tod verletzlich, und in dieser Zeit bist du auf eine Frau getroffen, die viel Erfahrung darin hat, die Leute zu täuschen«, fügte Erin hinzu.
    »Euch konnte sie nicht hinters Licht führen«, sagte Gareth. Er schämte sich, war aber gleichzeitig stolz auf seine Kinder.
    »Du bist nur ein Mensch, Dad«, sagte Erin. »Verzeih dir selbst und lass es einfach hinter dir.«
    »Ich weiß, ich habe das Geschäft vernachlässigt. Ich hätte es beinahe ruiniert. Ich war sehr abhängig von eurer Mutter, was das Geschäftliche anging. Ihr künstlerisches Talent und ihr menschliches Geschick haben die Galerie am Leben erhalten.«
    »Mom wollte immer, dass du glaubst, du würdest ihren Rat annehmen, in Wirklichkeit war sie nur der Resonanzboden für deine Ideen«, sagte Erin.
    »Das stimmt doch nicht«, protestierte Gareth.
    »Doch, Dad. Mom hat immer darüber gelacht. Sie hat mir oft erzählt, dass die besten Ideen, für die du ihr dankbar warst, in Wirklichkeit von dir kamen. Du musst eben einfach nur wieder an dich glauben.«
    »Wenn es nur so leicht wäre!« Gareth seufzte.
    »Wir sind doch da und helfen dir«, erinnerte ihn Erin.
    »Ich weiß, und ihr beide seid mir so lieb und teuer, wie ihr das wohl nie ahnen werdet. Aber wir brauchen ein paar gute Kunstwerke, damit die Galerie wieder Erfolg hat.«
    »Wir werden ein junges Talent finden, Dad«, sagte Bradley. »Ich habe da schon einen Hinweis auf jemanden, der richtig aufregend sein könnte.«
    »Dann machen wir eine Ausstellung, und die kündigen wir ganz groß an«, sagte Erin voller Begeisterung. Sie freute sichschon darauf, wieder an die Arbeit gehen zu können – ohne sich mit Lauren herumärgern zu müssen.
    Gareth spürte, dass eine Veränderung in seiner Tochter vorging. Sie war schon fast wieder die Alte, voller Begeisterung und Leidenschaft. »Es wird doch alles wieder gut, ja?«, fragte er und legte die Arme um seine Kinder.
    »Ja, Dad, alles wird gut«, sagte Erin.

40
    »Ich dachte, ich sollte mir Kunstwerke ansehen, Bradley. Wieso treffen wir uns hier in dieser Seitengasse an deinem Van?«, fragte Albert und ging auf Bradley zu, der neben seinem Wagen stand.
    »Der Künstler, dessen Bilder du dir ansehen sollst, will unbedingt anonym bleiben«, erklärte Bradley.
    »Aha«, meinte Albert. »Ist er im Van?«
    »Natürlich nicht.« Bradley lachte. Albert hatte schon immer einen trockenen Humor gehabt. Oft wusste man nicht, ob er etwas ernst meinte oder nicht. »Die Bilder sind im Van.« Er öffnete die Hecktür.
    »Auf dich mag das ja seltsam wirken«, sagte Albert. »Aber ich habe schon Künstler an ganz anderen bizarren Orten getroffen.«
    »In schäbigen Dachbodenateliers?«
    »Wenn es nur das wäre. Ein Künstler, ein Flüchtling aus Transsilvanien, behauptete, ein Abkömmling von Graf Dracula zu sein. Er verlangte von mir ein Treffen in einem Kaktusgarten auf der Dachterrasse seines Hauses in Gravesend. Er arbeitete mitten in einem Miniwäldchen der stachligsten Kakteen, die ich je gesehen habe. Wohin ich mich auch drehte, überall bohrten sich scharfe Dornen in meine Haut. Am ganzen Körper hatte ich rote Pusteln, die wochenlang juckten. Ich wäre

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