Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
diese Möglichkeit sowie etliche andere Desaster, die ihm in den Sinn gekommen waren, bereits verworfen hatte.
Andy warf Reverend Sutcliffe einen Blick zu. Dessen Reaktion war ein zaghaftes, peinlich berührtes Lächeln, was es für Andy nur noch schlimmer machte. Der Geistliche hatte bestimmt schon verspätete Bräute erlebt, aber Bräute mit einer Verspätung von einer halben Stunde waren seiner Erfahrung nach sicher ein Zeichen dafür, dass sie es sich anders überlegt hatten.
»Sie kommt nicht, oder?«, flüsterte Andy dem Reverend zu, in der Hoffnung auf Trost der göttlichen Art.
Der Gesichtsausdruck des Reverends wurde mitfühlend. »Gibt es irgendeinen Grund, weshalb sie nicht kommen sollte, Andrew?«, fragte er sanft.
»Nein, Reverend«, antwortete Andy besorgt. Er wandte sich an Bradley, der bei Ben stand. »Erin ist doch im Hotel, oder?«, versicherte er sich. Er ging davon aus, dass sie mit ihrem Bruder gekommen war wie vorgesehen, er wollte sich jedoch noch einmal vergewissern.
»Ja, wir sind heute morgen zusammen mit dem Taxi gekommen«, antwortete Bradley.
»In was für einer Verfassung war sie denn? Als ich vor drei Tagen mit ihr sprach, hatte Erin sich darüber geärgert, dass euer Vater mit Lauren Bastion zur Hochzeit kommen wollte.« Jetzt fragte er sich, ob er womöglich das Ausmaß ihrer Wut unterschätzt hatte.
»Dad hat ihr gestern Abend gesagt, dass Lauren nun doch nicht kommt.«
»Ach ja?« Das war eine Überraschung und eine Sorge weniger.
»Sie wollte der Hochzeit fernbleiben, um Erins großen Tag nicht zu ruinieren.« Bradley glaubte, dass sie noch einen ganz anderen Grund hatte, was er natürlich für sich behielt.
Es freute Andy zu hören, wie Lauren entschieden hatte. Er fand sie sympathisch, und ihr Verhalten bewies, dass sie nicht das intrigante Biest war, das Erin in ihr sah. »Das hat Erin doch sicher gefreut, oder nicht?«
»Ich denke schon. Allerdings hat sie kaum etwas dazu gesagt. Ich weiß nur, dass sie nicht gerade glücklich darüber war, dass Onkel Cornelius nicht kommen wollte«, fügte Bradley hinzu.
»Was?« Das hatte Erin ihm gar nicht gesagt. »Und wieso kommt er nicht?«
»Er hat sich mit Dad zerstritten, weil der so bald nach Moms Tod schon anfing, sich mit Lauren zu treffen«, sagte Bradley.
»Glaubst du, Erin will ihn womöglich überreden, doch noch zu unserer Hochzeit zu kommen?« War Erin etwa zu Cornelius gefahren?
»Nein, sie weiß, er ändert seine Meinung nicht. Ich glaube, das hat sie akzeptiert.«
Andy fand das nicht sehr überzeugend. Erin konnte nämlich sehr dickköpfig sein, vor allem, wenn sie sich im Recht glaubte. »Hatte sie wegen sonst irgendwas Sorgen?«
Am Tag zuvor hatte er mehrmals versucht, sie zu erreichen, aber sie war nicht da gewesen. Das hatte ihn nicht sonderlich beunruhigt, denn er wusste, dass sie noch einiges zu erledigen hatte. Am Abend hatten die Hotelangestellten darauf bestanden, dass er mit ihnen etwas trinken ging. Er hatte sich vorgenommen, Erin anschließend anzurufen, als er endlich dazu kam, war es jedoch schon spät gewesen, und Bradley hatte ihm gesagt, sie sei zu Bett gegangen. Jetzt ärgerte es ihn, dass er nicht hartnäckiger gewesen war.
»Sie schien ein bisschen nervös wegen der Trauung, das ist doch normal«, sagte Bradley.
»Ja, ich denke schon. Aber … Bist du sicher, dass sie wirklich nur nervös war?«
»Doch, ich meine ja«, antwortete Bradley. Wenn er jetzt allerdings daran dachte, schien ihm, sie war weniger nervös als mit den Gedanken woanders gewesen. »Soll ich mal nachsehen?«
Andy überlegte. Wenn die Gäste Bradley fortgehen sahen, würde das einen sehr schlechten Eindruck machen. »Warten wir noch zwei Minuten«, sagte er.
Die zwei Minuten fühlten sich wie zwei Stunden an. Im Geiste ging Andy alle nur denkbaren Möglichkeiten durch, weshalb Erin nicht zu ihrer Trauung erschienen war. Er dachte an die letzte Unterhaltung mit ihr. Sie hatte irgendwie fremd geklungen, aber es hatte eine plausible Erklärung dafür gegeben, dass sie so aufgeregt gewesen war. Gott sei Dank hatten Gareth und Lauren Erins Glück über alles andere gestellt. Also wo blieb sie nur?
»Ich kann nicht mehr länger warten, Andrew«, sagte der Reverend entschuldigend. »Ich muss noch zu einer anderen Trauung nach Cambridge. Tatsächlich bin ich jetzt schon ein bisschen spät dran. Ich muss mich beeilen, wenn ich rechtzeitig dort sein will.«
Andy geriet in Panik. »Tut mir leid, Reverend Sutcliffe«,
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