Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Erin Jane Forsyth und Andrew Kevin Stanford dabei zu begleiten, den Bund der Ehe einzugehen …«, begann Reverend Sutcliffe.
Andy hörte kaum ein Wort. Es fehlte nicht viel, und er wäre in Tränen ausgebrochen, was ganz unerwartet für ihn kam. Am Morgen war er der glücklichste Mensch auf der Welt gewesen, in der vergangenen halben Stunde war er in die finstersten Tiefen der Verzweiflung gestürzt worden. Jetzt wurde er schier überwältigt von Erleichterung und Freude. Ihm war auf einmal schwindlig, und er fühlte sich ganz schwach. Andy versuchte, sich auf Erins und seine gemeinsame wundervolle Zukunft zu konzentrieren und auf die Familie, die sie hoffentlich gründen würden, auf die Erben seines Hotelimperiums. Auf ihr vollkommenes Leben!
Erin schaute ihn an, sie hatte ihre Haltung wiedergewonnen. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm nichts von dem, was sie empfand. Er hatte erwartet, sie würde schon jetzt in Tränen ausbrechen, sie war immer ein sehr gefühlsbetonter Mensch gewesen. Nun war er enorm stolz auf ihre Selbstbeherrschung und auch ein bisschen beschämt, weil ihm diese Charakterstärke fehlte. Er gab sich große Mühe, sich zusammenzureißen, und konzentrierte sich auf Erins schönes Gesicht. Ja, ihre ruhigen braunen Augen gaben ihm Kraft.
Erin gab Carmel ihren Brautstrauß, dann reichte sie Andy die Hände. Sie bereitete sich darauf vor, ihr Ehegelöbnis abzulegen. Andy wurde gebeten, die Worte des Reverends zu wiederholen.
»Ich, Andrew, nehme dich, Erin«, sagte er mit zitternder Stimme, »zu meiner mir angetrauten Frau. Von diesem Tage an, in guten und in schlechten Zeiten, in Armut und in Reichtum, in Krankheit und Gesundheit, will ich dich lieben und ehren, bis dass der Tod uns scheidet. Nach Gottes Gebot und Verheißung …« Andy sah, dass Erin die rechte Hand aus seinem festen Griff zog, sein Blick blieb an der Armbanduhr an ihrem Handgelenk hängen. »… gelobe ich dir ewige Treue«, fuhr er irritiert fort.
Erin musterte ihn.
»Stimmt was nicht, Andy?«, flüsterte sie ihm zu.
Er wandte sich von der Uhr ab und sah in ihre dunklen Augen. »N… nein«, stammelte er.
»Ganz sicher?«
Unverwandt schaute Erin ihn an. Ihr Blick schien seine Seele zu durchdringen und all seine Sünden bloßzulegen. Sie wusste Bescheid, sie wusste, was er getan hatte. Das konnte er in ihren Augen lesen. In seiner Panik sah er zu den Hochzeitsgästen, besonders nach einer Person hielt er Ausschau.
Erin brach es das Herz. Sie wusste, dass sie nun den Beweis hatte, den sie für Andys Untreue brauchte. Luke Stanford hatte nicht zurückgerufen, deshalb hatte sie beschlossen, die Uhr zu tragen. Sie hatte Andy absichtlich so lange warten lassen, um ihn zu verunsichern, um sein überbordendes Selbstvertrauen zu erschüttern und Schuldgefühle in ihm zu wecken. Es hatte fantastisch geklappt. Sie hatte gewusst, dass Andys Lügenhaus zusammenbrechen würde, wenn er die Uhr sah – vorausgesetzt er hatte tatsächlich zwei Nächte im Highlander Hotel mit einer anderen Frau verbracht. Und sein Lügenhaus war jämmerlich zusammengebrochen.
Der Reverend forderte nun Erin auf, ihr Ehegelöbnis zu wiederholen. Erin wiederholte seine Worte nicht, und es entstand einlanges, quälendes Schweigen. Die Gäste hielten vor Erwartung den Atem an, und Andy wand sich vor Scham.
»Bitte, Erin, sprechen Sie mir nach«, sagte der Reverend geduldig. Er schien zu glauben, die Nervosität habe ihr die Zunge gelähmt, und wollte ihr auf die Sprünge helfen. »Ich, Erin, nehme dich, Andrew, zu meinem mir angetrauten Mann.«
»Das werde ich nicht tun«, unterbrach Erin ihn kühl. Ihre Unterlippe zitterte, das einzige sichtbare Zeichen dafür, dass sie nur mit Mühe die Fassung wahrte.
Ein Stöhnen lief durch die Menge.
»Ich verstehe nicht, Erin«, sagte der Reverend. »Stimmt etwas nicht?«
»Wollen Sie etwa, dass ich einen Mann heirate, der gerade ein paar lustvolle Nächte in einem schottischen Hotel mit einer anderen Frau verbracht hat?«
Dem Reverend blieb der Mund offen stehen. Er schaute zu Andy hinüber, dessen Gesicht die Farbe des Teppichs und der Vorhänge annahm, ein tiefes Dunkelrot. »Andrew, ist das … ist das wahr?«
»Das würde ich auch gern wissen«, fiel Gareth wütend ein.
Er hatte nicht begriffen, wieso Erin so getrödelt hatte, wo sie doch sonst gesteigerten Wert auf Pünktlichkeit legte. Mehrmals hatte er sie gebeten, sich zu beeilen, hatte ihr ins Gedächtnis gerufen, dass Andy wartete. War das der
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