Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
amüsierte sich köstlich. Immer, wenn er sie fragte, ob mit ihr alles in Ordnung sei, überzog ein breites Grinsen sein Gesicht. Seine Freude war schließlich ansteckend, was ihn richtig glücklich machte. Hätte jemand Erin eine Woche zuvor erzählt, sie würde mitten in Australien auf einem Kamel reiten, statt in den Flitterwochen Ouzo in einer Villa auf Santorin zu trinken, hätte sie das nie geglaubt. Allerdings hätte sie auch nie im Leben geglaubt, dass Andy sie nur wenige Tage vor ihrer Hochzeit betrügen würde. Das Leben konnte wirklich unerwartete Wendungen bereithalten.
»Wie lange werden wir brauchen, um nach Coober Pedy zu gelangen, Willy?«, fragte Erin.
»Wir sollten morgen um diese Zeit dort angekommen sein«, antwortete Willy.
»Was?«, rief Erin entsetzt. »Ich dachte, wir wären in ein paar Stunden da.«
Willy lachte. »Wenn Sie wollen, kann ich die Kamele zum Rennen bewegen. Die kommen auf ein Tempo von bis zu vierzig Meilen pro Stunde! Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie da nicht mithalten könnten.«
»O mein Gott, machen Sie das nur nicht«, erwiderte Erin schnell. »Es ist schon gut, wenn sie langsam laufen.«
Willy musste wieder lachen. »Das dachte ich mir.«
Nach einer Weile beschloss Willy, anzuhalten und das Lager für die Nacht aufzubauen. Der Kameltreiber wusste, dass Erin Angst hatte, beim Absteigen zu fallen. Er gab ihr wieder genaueAnweisungen, wie sie sich verhalten sollte, und rief dann erneut »Husch«. Die Kamele fielen auf die Knie. Beim Hinunterklettern stellte Erin sich schon viel geschickter an, dennoch war sie ganz wacklig auf den Beinen.
Willy hatte etwas Brot und kaltes Lammfleisch von Doris mitgebracht. Er machte Feuer und kochte Tee, und sie setzten sich und genossen das provisorische nächtliche Mahl. Der Kameltreiber erzählte ihnen, dass Doris eine gute Freundin sei. Ihr Ehemann hatte sie ein paar Jahre zuvor auf ihrer kleinen Kamelfarm allein zurückgelassen. Da sie keinerlei Erfahrung gehabt habe, habe er sich seitdem um die Farm gekümmert. Erin und Cornelius waren so erschöpft, dass sie gar nicht mehr zuhören konnten. Ihnen fielen schon im Sitzen die Augen zu.
»Am besten, wir legen uns jetzt ein paar Stunden aufs Ohr und reiten morgen in aller Frühe weiter«, schlug Willy vor.
Er hatte ein einfaches Zelt mitgebracht, das in ein paar Minuten aufgeschlagen war. Erin und Cornelius krabbelten dankbar hinein – und hofften, geschützt vor allerlei Getier und dem Staub, wenigstens ein wenig Schlaf zu finden.
Erin hatte das Gefühl, sich gerade erst hingelegt zu haben, als ein tiefes Knurren sie und Cornelius weckte. Als sie den Kopf aus dem Zelt streckte, sah sie, dass es schon dämmerte. Willy hatte bereits Tee gekocht und sattelte die Kamele. Und Willy hatte …
Verwirrt rieb Erin sich die Augen. Sah sie richtig? »Ist das … das an Ihrem Hut, das, was ich denke?«, fragte sie Willy und gab sich Mühe, ihren Abscheu zu verbergen, als sie auf den anstößigen Gegenstand deutete, der in der Nacht wie ein Pferdeschwanz ausgesehen hatte.
»Was denken Sie denn?«, fragte Willy feixend.
Im Licht wirkte sein Gesicht wie eine abgenutzte Landkarte. Die unzähligen kleinen Fältchen sahen aus wie unebene Straßen, die einander kreuzten, allerdings ohne irgendwohin zu führen.Willys Augen funkelten verschmitzt, als hätten sie Tausende spannender Geschichten mit angesehen.
»Es sieht aus wie ein … aber das kann doch kein Schwanz sein«, sagte sie und hoffte, dass sie sich irrte. »Der ist doch nicht von einem Ihrer … Kamele, oder?«
»O doch«, antwortete Willy grinsend. »Sheeba war mein erstes und mein Liebling, und sie ist vor sechs Monaten gestorben. Jetzt habe ich immer etwas von ihr bei mir.«
»Wie … gefühlvoll von Ihnen«, bemerkte Erin. Sie verstand nicht, wie er glauben konnte, dass er dem Tier Tribut zollte, wenn er sich dessen Schwanz hinten an den Hut hängte.
»Heute Nacht sind Sie auf einem von Sheebas Nachkömmlingen geritten. Aber Bessy ist nicht so gutmütig wie ihre Mutter«, sagte Willy.
»Gutmütig haben die Kamele sich alle nicht angehört«, erwiderte Erin, und auf einmal fühlten sich ihre Knie wieder schwach an.
Doch die Männer packten schon zusammen. Rasch tranken sie einen Tee, dann setzten sie ihre Reise unter der sengenden Sonne fort. Die Stunden vergingen nur langsam, die monotone Landschaft bot wenig Abwechslung, dennoch sprachen sie kaum. Gegen Mittag machten sie erneut Rast und vertraten sich die
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