Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Farben nicht zu sehen waren.
»Man braucht schon ein geübtes Auge, um die winzigen Bruchstellen im Stein zu finden. Opale kommen oft ganz dicht bei solchen Bruchstellen vor, dort kann man das Gestein leicht vom Edelstein wegschlagen. Manchmal muss man auch kräftig draufhauen, um den Opal herauszubrechen«, fügte er hinzu.
Leichter gesagt als getan, dachte Jonathan, schließlich hatte Andro die kräftigsten Hände, die er je gesehen hatte.
Eines Morgens, Andro war schon in aller Frühe in der Mine, rief er Jonathan nach unten. Marlee schlief noch.
»Siehst du das, Jonathan?«, fragte Andro und deutete auf eine kleine Unebenheit im Felsgestein. »Ich glaube, das ist die Spitze eines richtig guten Opals.« Er hätte ihn allein ausgraben können, aber Jonathan sollte erleben, wie spannend der Fund von etwas besonders Wertvollem war.
»Was meinst du mit ›richtig gut‹?«, fragte Jonathan aufgeregt.
»Wir werden sehen«, antwortete Andro geduldig. Nach jahrelanger Arbeit in den Minen ging er gelassener mit einem Fund um. »Ein zweiter Olympic Australis ist es mit Sicherheit nicht, es könnte allerdings ein kostbares Stück sein«, bemerkte er.
Gemeinsam bearbeiteten sie den Fels. Sie lockerten das Gestein um ihren Fund herum, der qualvoll langsam zum Vorschein kam. Jonathan konnte seine Aufregung kaum verbergen. Ihm zitterten die Hände so sehr, dass er immer wieder innehalten musste. Andro schien ganz ruhig und arbeitete stetig weiter. Schließlich löste sich ein größeres Stück brüchiges Felsgestein. Mit seinen kraftvollen Daumen brach Andro den äußeren Teil weg, und der Edelstein, der darin eingeschlossen gewesen war, lag in seiner Hand. Eine ganze Weile starrten Jonathan und er schweigend darauf. Der Opal war dreimal so groß wie das erste Stück, das Jonathan gefunden hatte, und er war das Schönste, was Jonathan im Leben je gesehen hatte. Ein Freudenschrei war seine erste Reaktion. Dann überwältigten ihn seltsamerweise starke Gefühle. Er war den Tränen nah. Auf diesen Moment hatte er seit seiner Ankunft auf den Opalfeldern und dem Abstecken seines Claims gewartet. Jetzt endlich Erfolg zu haben war etwas ganz Besonderes.
Andro schaute ihn an. Er sah, wie überwältigt sein Partner war, und fühlte sich an den Tag zehn Jahre zuvor erinnert, als er seinen ersten richtig wertvollen Opal gefunden hatte.
»Sieh nur die Farben«, sagte er und drehte den Stein in seiner Hand hin und her. Der Opal funkelte in allen Farben des Regenbogens.
»Ist das gut?«, fragte Jonathan.
»Ja, das ist gut«, erklärte Andro. »Wie man den Stein auch dreht, von jeder Seite sieht man die immense Leuchtkraft, wir können sie selbst im Dämmerlicht hier unten sehen. Das alles ist sehr gut. Wirklich sehr gut!«
»O Mann«, brüllte Jonathan vor lauter Freude.
»Denk an das, was ich gesagt habe, Jonathan«, rügte Andro ihn. »Zeig keine Gefühle, wenn wir raufgehen. Wir sehen uns den Opal in meinem Zelt näher an, dann wissen wir Genaueres.« Noch immer drehte er den Stein hin und her. Das Farbspiel war überwältigend.
Jonathan konnte sich kaum beherrschen, als sie den Schacht verließen. Er wäre vor lauter Glück beinahe geplatzt.
Im Zelt, Marlee schlief glücklicherweise immer noch, wusch Andro den Opal in einer Schüssel mit Seifenwasser und inspizierte ihn dann genauer. Es war ein Kristallopal, der beinahe durchsichtig war. Andro hatte eine kleine Waage, auf der er den Stein wog.
»Dreiunddreißig Gramm«, sagte er. »Ein Gramm entspricht fünf Karat. Wir haben hier einhundertfünfundsechzig Karat.«
Jonathan hielt die Luft an.
»Ehe er geschliffen ist, kann man das nur schwer sagen, aber ich glaube, die Körperfarbe entspricht etwa mittlerer Güte.«
»Die Körperfarbe?«, fragte Jonathan.
Andro hatte ihm das alles schon einmal erklärt, jetzt war es zum Greifen nah, und er wollte es endlich richtig verstehen.
»Ich hab dir doch erzählt, dass die Grundfarbe Körperfarbe genannt wird. Die hat mit den Farbspritzern nichts zu tun«, erklärte Andro geduldig. Er suchte in seiner Werkzeugkiste nach einem Gegenstand, den er viele, viele Jahre schon nicht mehr benutzt hatte. Endlich fand er ihn. Es war ein Holzstab, auf dem in einer bestimmten Reihenfolge kleine Opalstückchen minderer Qualität aufgeklebt waren. Sie hatten keinerlei Farbsprengsel. »So bestimmt man die Körperfarbe«, erklärte er und hielt den Opal an den Holzstab. Der Opal passte genau zur Farbe des fünften Stückes. »DieLeuchtkraft
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