Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Jonathan.
»Na schön.« Andro freute sich sichtlich, als er sah, wie Jonathan sich wand. »Es scheint, wir kommen nicht ins Geschäft, also ab mit euch, Ladys.«
Clementine drängte Daisy zum Aufbruch, und bald verschluckte die Dunkelheit die beiden.
»Also, woher kennst du diese Prostituierte, wenn du als Verlobter derart treu bist?«, wollte Andro wissen.
»Sie kommt vormittags oft hier vorbei. Einmal blieb sie stehen und grüßte. Sie mag Marlee, sie ist wohl sehr kinderlieb. Clementine hat Marlee übrigens das rote Band für ihren Teddy geschenkt.«
»Bist du sicher, dass sie nur Marlee mag? Du bist ein attraktiver Mann, Jonathan.« Andro öffnete eine vierte Flasche Wein und schenkte ihnen beiden noch einen Becher ein.
»Ja, ich bin sicher. Ich weiß nicht, was sie zum Arbeiten in diese Stadt gebracht hat, aber ich glaube, es muss was ziemlich Übles gewesen sein. Sie hat so traurige Augen. Keine so nette Frau entscheidet sich für ein Leben als Prostituierte, es sei denn, sie ist völlig verzweifelt.«
Andro musterte Jonathan nachdenklich. »Du bist wirklich ein ungewöhnlicher Mann, mein junger Freund«, sagte er voller Bewunderung.
»Ich bin kein Heiliger, Andro. Doch ich bemühe mich, das Richtige zu tun.«
Andro tätschelte Jonathan liebevoll die Schulter. »Ich glaube, genau deshalb bist du mein Partner«, sagte er.
Jonathan rieb sich erschöpft die Augen. »Ich muss jetzt schlafen, Andro«, sagte er müde. »Und ich finde, das solltest du auch, mein Freund.«
»Ja, ja, gleich«, brummelte Andro.
Jonathan stand auf. »Wir hatten Glück heute, Andro«, sagte er immer noch voller Hochgefühl.
»Und morgen werden wir noch mehr Glück haben«, versprach Andro. »Wir sind da einer richtigen Ader auf der Spur. Das spüre ich, und Andro Drazan irrt sich nie.« Er lachte, und sein Lachen klang überheblich, aber es war eine Überheblichkeit, die er sich redlich verdient hatte.
Als glücklicher Mann ging Jonathan zu seinem Schlafplatz. Er dachte an Liza. Er hätte ihr gern geschrieben und ihr von seinem und Andros Fund erzählt, doch das musste bis zum Morgen warten.
Jonathan lag im Tiefschlaf, als er von wütendem Geschrei geweckt wurde.
»Verdammt!«, brummte er müde und horchte.
Ein paar betrunkene Minenarbeiter stritten sich wohl darüber, wer der bessere Olympiakämpfer war. Das passierte seit einer Woche oft. Jonathan drehte sich auf die Seite und versuchte, wieder in den Schlaf zu finden. Erst als jemand über sein kleines Zelt stolperte, begriff er, dass etwas geschehen war, und war im Nu hellwach.
Das Geschrei wurde erbitterter, die brüllenden Männer waren ganz in der Nähe. Mühsam richtete Jonathan sich auf und lugte durch die Plane. Ein paar Männer hatten sich um Andros Lagerplatz versammelt. Wieder trampelte einer im Dunkeln über seinen Schlafplatz.
»He«, beschwerte er sich. »Was ist hier los?«
»Andro und Bojan sind aufeinander losgegangen«, erklärte ein Minenarbeiter ihm aufgeregt, dann versuchte er, über die Köpfe der versammelten Zuschauer hinweg eine gute Sicht zu bekommen.
»Sie streiten sich wieder?«, fragte Jonathan.
»Nein, sie prügeln sich, sie schlagen sich windelweich«, rief der Mann begeistert.
»Was?«
Jonathan rappelte sich auf und suchte hektisch nach seinen Stiefeln. Einen fand er neben dem Schlafsack, den anderen sah er nirgends. Er musste auf allen vieren zwischen den Beinen der Männer vor seinem Zelt herumkriechen, um ihn zu finden. Kaum hatte er seine Stiefel angezogen, versuchte er, sich durch die Minenarbeiter zu Andros Lagerplatz vorzuarbeiten, aber die Männer kämpften um einen guten Platz, von dem aus sie alles mitbekamen. Jonathan wurde immer wieder zurückgestoßen. Er hörte Geschrei und Gejohle und Schläge. Er wusste, Andro war sehr betrunken, und er war krank vor Sorge, dass er deshalb bei der Schlägerei benachteiligt sein würde.
Jonathan stellte sich auf einen Eimer, um über die Köpfe der Minenarbeiter schauen zu können. Tatsächlich entdeckte er Andro und Bojan, die wie zwei Stiere mit gesenkten Köpfen aufeinander losrannten und sich mit den Fäusten schlugen. Andro hielt gut mit und teilte tüchtig aus. Sofort dachte Jonathan an Marlee und sprang von seinem Eimer herunter, aber er versuchte vergebens, sich durch die Menge zu kämpfen. Immer wieder wurde er zurückgedrängt, sodass er schließlich aufgeben musste. Er lief an den Minenarbeitern vorbei auf die Rückseite von Andros Zelt zu, löste einen der Haken, mit
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