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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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Weltliteratur angenommen hat. Sie mögen sich vielleicht fragen, wie das taoistische Gedankengut von Pu zu so schweren Strindberg’schen Sätzen passt wie: »Ich erwarte etwas Schlimmes, auch wenn ich noch nicht zu sagen vermag, was.«
    Aber genau diese Widersprüche sind der Clou des Buches. Ein bisschen mehr Tao würde uns doch allen guttun, in diesem Inferno, das die Welt geworden ist. Im sturmgepeitschten Fluss der Zeit, der immer weiterfließt, unbändig, bedrohlich und schön – können wir nur bestehen, wenn wir uns dem Fließenden hingeben. Sagt der deutsche Pädagoge Fritz Schwartz, der dieses philosophische, vielfach ausgezeichnete Kinderbuch geschrieben hat, das ich Ihnen ums Verrecken nicht verkaufen kann … nein, hahaha!
    Um Gottes willen! Noch mal von vorn.
    Das ist ein total spannendes Buch für Kinder jeden Alters. Pu der Bär, den wir alle kennen, Sie auch, nicht wahr, trifft hier auf das egomanische Ich des Erzählers aus Inferno und vermittelt uns dadurch die Lehren des Taoismus auf seine typisch teddybärige Art. Aus seiner Perspektive scheint die Welt von Inferno nämlich eher dem Himmel als der Hölle zu gleichen, wenn ich das so sagen darf. Die Geschichte ist allerdings auch stark gekürzt, hahaha, wen wundert’s! Außerdem ist sie in die Gegenwart übertragen, deswegen denkt Pu der Bär auch über Klimawandel, Terrorismus und solche Sachen nach. Ganz schön spannend, oder? Finden Sie nicht?
    Wirres Gekrakel? Das können Sie doch nicht ernst meinen! Nein, das ist kein Blut. Das ist ein Fleck, der aus Pus Füller tropft. Oder direkt aus dem von Strindberg – wenn man so will. Hahaha. Kinder können gut mit der Realität umgehen, solange sie etwas Hilfe bekommen, sie zu dekonstruieren und neu zu betrachten, sagt dieser Fritz, so dass … Ach so, finden Sie wirklich? Inwiefern kari … Wirklich? Ich finde es ziemlich weit hergeholt zu sagen, dass er Pu den Bären karikiert, Frau Kjærnested. Wenn überhaupt, könnte man sagen, er karikiert Strindberg.
    *
    Niemand beschwert sich, dass die Brüder sowohl Zigarre als auch Pfeife in der Cafeteria rauchen. Rauchschwaden ziehen durch den Raum und sorgen zusammen mit dem Kaffeeduft für eine heimelige Atmosphäre. Warum läuft hier im Radio bloß immer Mozart, nun sogar das Requiem? Das muss ein Klassiksender sein. Oder jemand hat eine Kassette in das uralte Ding gesteckt. Alles hier ist uralt. Ich allein senke den Altersdurchschnitt um dreißig Jahre, auch ohne den Büroboten, der manchmal zum Kühlschrank geht und eine Limonade herunterstürzt.
    Rauchwolken hängen vor den feldherrenhaften Nasen der Brüder, Gebäckkrümel rieseln auf eine Burberry-Weste. Sie kauen schmatzend auf ihren Pfeifen und wollen wissen, ob ich ein paar brauchbare Verkaufsargumente gefunden habe. Die Frage lenkt Stefanía vom Geschehen auf dem Schachbrett ab, den Blick starr auf mich gerichtet, zieht sie einen Bauern, worauf Kjartan die Chance ergreift und ihre Dame schlägt. Die Brüder nehmen das grinsend zur Kenntnis, als wäre es der größte Spaß ihres Lebens, den Angestellten beim Schachspielen zuzusehen, während sie auf meine Antwort warten. Die Einzige, die nie Schach spielt, ist Dagbjört, die Lektorin. Sie sitzt wie gewöhnlich in einer Ecke, liest ein titelseitenloses Magazin und interessiert sich weder für Verkaufsargumente noch für Schach und erst recht nicht für kleingeschnittene Donuts mit Filterkaffee, doch auch sie wartet, was ich sage. Sie haben ausreichend Gelegenheit, mich anzustarren, während ich nervös schnaufend mit der Kaffeekanne herumhantiere und wie zum Beweis meiner Schüchternheit mein Kehlkopf zuckt, als ich alle Widerrede herunterschlucke und stammele: Ja, ich glaub schon.
    Denk dran, Sunna, wir zählen auf dich. Die Brüder lächeln spöttisch, bevor sie mir sagen, dass ich mir den Samstag für das Bohei freihalten soll – wobei sie Stefanías Ausdruck benutzen. Sie errötet, ich werde blass. Nanu?
    Sie räuspern sich, die Sache sei so: Nächstes Wochenende wird der größte Verbrauchermarkt von ganz Reykjavík eröffnet. Zur Eröffnung gibt es ein riesiges Spektakel: Schauspieler, Musiker, Sportler und Schriftsteller, Würstchen, Limonadenverkostung und Marshmellow-Wettessen. Leider hat Valgardur keine Zeit, aber die dort für die Bücher zuständige Chefeinkäuferin, eine unglaublich liebenswürdige Frau in Stefanías Alter, plant, einen ganzen Tisch aufzustellen, auf dem nur sein neues Buch liegt und ein Regal mit allen

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