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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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mir das nicht neu.
    Wer ist das?, fragt Helgi.
    Ein sehr beeindruckendes Mädchen, mit dem Sunna in Spanien befreundet war, sagt Mama, bevor ich fragen kann, ob ich die beiden miteinander bekannt machen soll. Vor Kälte zitternd beeile ich mich und bitte Helgi, schon einmal in das Verlagsauto zu springen. Er zwängt sich zwischen die Kisten auf der Rückbank, bevor Mama mit meiner Hilfe auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.
    Dann brausen wir los.
    An der ersten Ampel fragt Mama, ob wir gesehen hätten, wie heute die Sonne aus den Wolken hervorgebrochen ist.
    Ja, klar, murmele ich. Und das, während Axel in Ísafjördur in diesem Unwetter festsitzt.
    Aber Mama interessiert es nicht sonderlich, was der Held der Arbeit auf seinen Reisen erlebt. Der Klimawandel ist überall, sagt sie und lächelt, als Helgi ausruft, dass seine Mutter das auch immer sagt. Er stupst mich an und sagt tröstend, dass fast nichts nur seine schlechten Seiten habe, vielleicht würde mir ja die Sonne etwas Röte ins Gesicht malen, dann wäre ich nicht mehr so weiß wie Schnee.
    Weiß wie Schnee! Axel sagt, ich bin so süß wie Schneewittchen, scherze ich, spüre aber, wie meine Mundwinkel sinken, als Mama sagt, dass Hafergrütze der naheliegendere Vergleich wäre.
    Helgi unterbricht unser Mutter-Tochter-Gespräch und verkündet den Wetterbericht: Heute war ein Wind, da habe ich die Wolken richtig wegfliegen sehen, obwohl über Mittag die Sonne geschienen hat. Morgen soll es Sonne geben, aber auch Sturm. Das habe ich heute früh im Radio gehört.
    Es knackt, als Mama sich zu Helgi umdreht und sagt, dass er aber ein aufmerksamer Junge sei, ihr sei das heute Morgen beim Wetterbericht auch aufgefallen. Sowohl die Wettergötter als auch die Politiker seien offenbar verrückt geworden, so etwas passiere manchmal. Obwohl es geradezu einfach sei, das Wetter vorherzusagen, im Vergleich zu den Schachzügen der Politiker. Die hätten eine vielfach angekündigte Pressekonferenz immer wieder verschoben, so dass niemand mehr wisse, wer hier wo wen regiert.
    Helgi erwidert aufgekratzt, er habe auch im Radio gehört, dass ein Politiker behauptet, sieben Prozent seien eine Mehrheit, was seine Lehrerin Pernille sicher nicht richtig finden würde.
    Exakt! So versuchen diese Schwätzer uns für dumm zu verkaufen. Das ist ein Angriff auf die Demokratie, das sage ich dir, redet sie auf ihn ein.
    Ich bitte die beiden, sich ihre Verschwörungstheorien für später aufzusparen, wir haben schließlich noch einen ganzen Krimi-Workshop vor uns, aber Mama schnaubt nur, dass man über diese hundsföttischen Höllenhunde gar nicht genug schimpfen könne. Manchmal redet sie gern wie Kapitän Haddock. Früher konnte sie es nicht ausstehen, wenn jemand fluchte, doch dann bekam ich die ersten Tim und Struppi- Bücher, und der schwarzbärtige Dampfplauderer hatte es ihr derart angetan, dass sie seitdem gern ab und zu mit Stabreimen spielt. Helgi erinnert sie hingegen an eine andere Person aus der Literaturgeschichte. Nanna ist genau wie Miss Marple, sagt er. Im Rückspiegel sehe ich Sterne in seinen Augen funkeln.
    Und du bist ein feiner Bursche, sagt Mama entzückt und zieht ihren Lippenstift nach.
    Irgendwie nervt mich das. Bin ich neidisch auf Mama, weil sie so mühelos einen Draht zu Helgi findet, oder auf ihn, weil er von ihr so viel Aufmerksamkeit bekommt? Axel hat mir nie Gelegenheit gegeben, ihn richtig kennenzulernen; vielleicht wollte er sein Vorleben vor mir verbergen, schon allein wegen der Schulden aus seiner letzten Beziehung, die dazu geführt haben, dass wir chronisch pleite sind. Oder warum reagiere ich jetzt so empfindlich?
    Das grüne Männchen erscheint, und ich fahre los.
    *
    Hier fahre ich nun, mit Miss Marple und einer Inkarnation von Sherlock Holmes. Wer bin ich?
    Die Workshopleiterin Oddný lächelt freundlich, als wir eine Viertelstunde vor dem offiziellen Kursbeginn die Cafeteria betreten. Ich biete ihr meine Hilfe bei der Leitung des Seminars an, doch sie lehnt dankend ab und bittet uns stattdessen, Kaffee zu kochen und Tassen auf den Tisch zu stellen, während sie noch einmal ihre Notizen überfliegt. Nach und nach trudeln die anderen Teilnehmer ein. Wie die Brüder vorausgesehen haben, sind die Frauen eindeutig in der Mehrzahl, erst sitzt nur ein Mann da, etwas abseits von den anderen, dann stößt ein zweiter hinzu, der größte Teil der Teilnehmer scheint mittleren Alters zu sein.
    Als alle sich einen Kaffee geholt und Platz genommen haben, wackelt der

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