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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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umspielte ihre Lippen, als sie sagte, dass dieser Unfruchtbarkeitsblödsinn eine komplett veraltete Information von einem unfähigen Arzt gewesen sei. Und wenn sie zusätzlich zu den Medikamenten Folsäure nehme, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby zu Schaden komme, verschwindend gering. Sie habe nämlich mit einem Spezialisten gesprochen, mit Bennis Onkel, der meinte, dass zweiundzwanzig das perfekte Alter sei, um ein Kind auf die Welt zu bringen. Und da es in Bennis Familie so viele Ärzte gebe, sei sie in guten Händen. Ob ich ihr denn irgendwann auch mal gratulieren würde? Sie habe die Halsketten gekauft, damit wir uns immer an diesen Moment erinnerten.
    Natürlich, klar, ich freue mich für dich. Ich umarmte sie ungeschickt, stammelte, dass das ja wirklich super sei. Tja … das hätte ich nun wirklich nicht erwartet! Wollte sie wirklich ein Kind, nun, nach alldem? Wann war sie überhaupt schwanger geworden?
    In den Osterferien, direkt nach unserer Reise nach Marokko. Das stelle man sich mal vor! Sie war schon im vierten Monat. Benni hatte ihr gesagt, sie solle nicht vor dem Ablauf des dritten Monats darüber reden, bis dahin könne so viel passieren – nun habe sie eben vier Monate gewartet. Außerdem habe es gedauert, bis sie es überhaupt selbst gemerkt habe. Der veraltete Blödsinn, den ihr damaliger Arzt ihr erzählt hatte, habe sie verwirrt, ebenso wie die Sommerhitze, da dachte sie, sie habe einfach zugenommen nach all den Monaten, in denen sie sich von Omelettes, frittiertem Tintenfisch und Sekt ernährt hatte.
    Willst du wirklich nach Afrika? Schwanger, als Epileptikerin, mitten im Sommer?
    Oh ja, mit ihrem Benni traute sie sich alles zu. Er war einige Jahre älter als sie. Ehrgeizig, wie er war, wollte er bald seine Facharzt-Ausbildung beginnen, aber vorher unbedingt diese Reise machen, für die er schon lange gespart hatte. Es sei schon immer Bennis Traum gewesen, nach Afrika zu fahren, außerdem brauche er dringend eine Pause nach der harten Arbeit als Assistenzarzt in der Chirurgie. Und obendrein sei es besser, diese Reise schwanger zu machen als später mit einem kleinen Kind.
    Bist du dir sicher, dass du weißt, was du da tust, Arndís?, fragte ich verwundert. Schließlich wusste ich, dass sie von Natur aus ein vorsichtiger Mensch war, obwohl sie sich um einen abgeklärten Gesichtsausdruck bemühte. Ein halbes Jahr durch Afrika!
    Sie lachte. So lange bleiben wir nie, wir sind doch nicht total gaga und turnen da durch die Gegend, bis das Kind kommt. Wir verkürzen die Reise. Aber erst mal fahren wir los – ins Ungewisse. Morgen. Prost!
    Während der Schwangerschaft darf man nicht trinken.
    Sunna, come on! Du führst dich auf wie deine Mutter!
    Meeresrauschen übertönte das Gebrabbel der Kinder und die Rufe der fliegenden Händler, ließ die Worte undeutlich werden, so wie die Brandung Steine abschleift, mehr gab es nicht zu sagen. Wir wateten ins Meer, auf dem das Sonnenlicht in kleine Teile zersprang und alle Gedanken zerstreute.
    Einige Tage zuvor hatte ich das Gefühl gehabt, dass sie in der Hurenstraße zusammengezuckt war und dann abrupt die Richtung wechselte – doch sie sagte mir natürlich nichts, wie immer, wenn etwas nicht mit ihr stimmte. Es war unklug von mir, so skeptisch auf ihre Reisepläne zu reagieren. So würde sie mir nie etwas anvertrauen.
    Mehr dachte ich nicht darüber nach.
    *
    Als Arndís fort war, empfand ich eher Erleichterung als Trauer. Doch die Erleichterung wich schnell einer großen Niedergeschlagenheit. Ich streifte durch die Straßen von Barcelona mit einer Ratte im Bauch, die an meinen Eingeweiden nagte, während mir klar wurde, wie gedankenlos ich die Entscheidungen in diesem Frühjahr gefällt hatte – ich verstand kaum mehr, warum ich Jordi verstoßen hatte.
    Die Zauberstadt hatte nicht nur goldene Seiten. In kürzester Zeit lernte ich eine schlimmere Einsamkeit kennen, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Das schlechte Gewissen gegenüber Jordi wog schwerer, seitdem Arndís fort war, doch trotzdem drückte ich mich davor, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Nur einmal sah ich ihn auf der Straße vor mir auftauchen und sprang schnell hinter einen urinfeuchten Müllcontainer. Für denjenigen, der die Menschen betrogen hat, die er am meisten liebt, gibt es kein Zurück. Er ist ein anderer Mensch geworden. Niemand kann ihn wirklich kennen, am wenigstens er sich selbst, denn es gibt ihn nicht mehr.
    Es verging einige Zeit, bevor ich mich

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