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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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Esperanto-Kongress nach Kuba erzählen, auf die sie im Café derzeit sparen. Þórdur habe so begeistert von einem Esperanto-Kongress in Tibet erzählt, wo Rebellen ihn und seine Reisebegleiter in ihrem Jeep mitten in der Wüste gestoppt hatten, um Wegezoll zu fordern, und ihnen dann eine Quittung gaben, damit sie bei den nächsten Rebellen nicht noch einmal zahlen müssten. Diese tibetischen Rebellen, die wissen, was Völkerfreundschaft bedeutet, sagt sie und verschwindet in Richtung Lager.
    Sie kommt beschwingt, aber mit leeren Händen aus dem Lager zurück und hilft mir, die Tassen zusammenzusammeln. Ich verschweige ihr den Schwangerschaftstest im Müll. Den blauen Streifen auf weißem Grund.
    *
    Alle haben bereits Platz genommen, als Oddný hereinrauscht und die Ledertasche auf ihren Tisch knallt. Guten Abend, liebe Freunde, sagt sie lächelnd, wickelt sich aus ihrem Schal, wirft einen Blick auf die Gruppe und fragt, wie es uns ergangen sei. Ob wir zum Beispiel Ideen für einen Schauplatz bekommen haben oder für die Charaktere und deren Beziehungen zueinander.
    Ich habe eine Trillion Ideen, verkündet Helgi mit seiner hohen Stimme, doch alle anderen schweigen. Schließlich ergreift der Mann mit dem wuscheligen Haar das Wort: Sollten Sie uns nicht beibringen, wie man so was macht? Ich habe schließlich kein kleines Vermögen dafür bezahlt, dass Sie uns mit ein paar netten Worten wieder nach Hause schicken.
    Soll ich etwa für Sie eine Geschichte schreiben?, fragt Oddný. Er errötet, als er das verneint.
    Tja, dann, sagt sie. Sie erinnern sich doch sicher daran, dass ich Sie gebeten habe, Ihr Umfeld zu beobachten. Hat Sie das auf keine einzige Idee gebracht?
    Ich kann ja wohl nicht das Leben anderer Leute stehlen, empört sich der Wuschelkopf, gibt dann aber zu, dass er versucht habe, etwas aus seiner jugendlichen Nichte herauszubekommen, die gerade von einem Drogenentzug zurück sei. Aber die sei jetzt so eine Heilige geworden, dass sie sich weigere, über ihre Mitpatienten in der Therapie zu sprechen, wahrscheinlich alles Drogendealer, Manager und Prostituierte.
    Dann müssen Sie wohl hoffen, dass Ihre Nichte rückfällig wird, sagt Oddný in aufmunterndem Ton. Oder es so machen wie die meisten Schriftsteller: Alles aufschreiben, was Ihnen durch den Kopf schießt, so lange, bis Sie auf etwas stoßen, das Sie weiterbringt. Das dauert seine Zeit, aber irgendwann bedarf es nur noch eines Traums oder eines bestimmten Ereignisses, um einen ganzen Roman zu befruchten.
    Befruchten, äfft der Wuschelkopf sie nach, und die anderen stecken sich gegenseitig mit Gähnen an. Oddný sieht mich flehend an. Sunna! Haben Sie etwas geschrieben?
    Überrascht, dass sie ausgerechnet mich anspricht, stammele ich etwas vom Stress im Weihnachtsgeschäft, dann schaue ich mit Hundeblick zu Mama und Helgi, die mich ansehen wie Mitglieder einer Jury, so dass ich die Mundwinkel nach oben ziehe und von dem Versuch erzähle, mein eigenes Leben mit den Augen eines Krimiautors zu betrachten. Dann werfe ich der Jury einen Seitenblick zu: Mama lächelt ermutigend, und Helgi platzt fast vor Neugierde.
    Auch Oddnýs Interesse erwacht: Inwiefern denn das?
    Das kam wie von selbst. Ich kenne die vermisste Frau aus dem Zeitungsartikel, den Sie uns letzte Woche gezeigt haben. Oder besser gesagt, wir haben uns früher einmal gekannt. Nun habe ich mich an diese Zeit erinnert und an meine Freundschaft mit ihr.
    Oddný kommt näher und fragt, ob das zu etwas geführt habe. Ich überlege und sage dann, dass es schon auf seine Weise Früchte getragen habe. Über meine Jugendfreundin nachzudenken habe unweigerlich dazu geführt, dass ich mein eigenes Leben in neuem Licht sehe, sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart, was mich an eine Art Wendepunkt geführt habe.
    Interessant!, sagt sie und sieht in die Runde, als eine strenggesichtige Frau in einem Jogginganzug uns daran erinnert, dass wir uns heute mit dem Plot beschäftigen wollten.
    Das will ich aber auch meinen, sagt der Wuschelkopf. Wir wollen etwas über Krimis erfahren, nicht über das Leben vom Küchenpersonal hier.
    Na, na, nicht so ungeduldig, säuselt eine pummelige Frau mit wallendem schwarzen Haar und lächelt Oddný wohlwollend an. Einige stimmen ihr zu.
    Vielen Dank, sagt Oddný, stellt eine tragbare Tafel auf, greift ein Stück Kreide und bittet uns darum, die folgenden Worte abzuschreiben:
    Glaube
    Vertrauen
    Mut
    Sind wir hier in einer Selbsthilfegruppe?, schimpft der Wuschelkopf

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