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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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Brille zurecht, drückt sich an mir vorbei und schaut auf die Erde. Bückt sich und nimmt das Mäusejunge in die Hand. Meinen Sie das?
    Was denn sonst?, sage ich. Hier liegt schon zum zweiten Mal ein totes Mäusejunges.
    Es gibt für alles eine Erklärung, sagt mein Nachbar und erklärt mir, dass er an einer Doktorarbeit in Insektenkunde arbeite. Daher habe er die Genehmigung bekommen, zu Forschungszwecken hundert Heuschrecken und eine Vogelspinne einzuführen, und weil er keine Vögel fangen wollte, habe er beschlossen, die Spinne mit Mäusejungen zu füttern. Einige seien wohl beim Transport aus dem Karton entwischt. Er sieht mich träge an, da fragt Helgi, ob er die Tiere sehen dürfe.
    Tiere? Das sind Insekten, Helgi, sage ich.
    Insekten sind Tiere. Er versucht nicht einmal, seine Empörung über meine Unwissenheit zu verbergen.
    Streng genommen sind Spinnen keine Insekten, aber du bist ein schlauer Junge, sagt mein Nachbar und lächelt. Natürlich darfst du hereinkommen.
    Nein, sage ich. Das darf er nicht. Er … Wir haben mit Riesenspinnen nichts zu schaffen. Was, wenn sie ausbricht?
    Die bricht nicht aus. Mein Nachbar hebt die Augenbrauen und wundert sich über meine Reaktion, schließlich habe er doch die Nachbarn über sein Haustier informiert – für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass es doch ausbrechen könnte. Er erinnere sich daran, mit meinem Mann gesprochen zu haben, der darin kein Problem gesehen habe.
    Dann hat Axel vergessen, mir das zu sagen, sage ich und verberge mühsam meine Verwunderung. Es sieht Axel nicht ähnlich, mir zu verschweigen, dass wir neben einer Vogelspinne wohnen – absurd, dass er mir das nicht erzählt hat. Ich sehe Helgi genervt an, der an mir zieht, fest entschlossen, die Spinne zu sehen. Bitte!, quengelt er. Ich kann doch hierbleiben, wenn du schnell da hinfährst, wo du hinmusst.
    Ich wohne alleine, er kann ruhig bei mir bleiben, wenn Sie vor Mitternacht zurück sind, sagt mein Nachbar freundlich.
    Ich sehe ihm in die Augen, kaue auf meiner Lippe, sehe Helgi an. Es ist unangenehm verlockend, ihn aus einer Obhut in die nächste zu geben. Zu einem unbekannten Mann mit einem Haus voller Insekten. Dann könnte es passieren, dass der Mann irgendwohin muss und Helgi zu einem weiteren Nachbarn gibt und von da wieder zu einem anderen und so weiter. Aber ist es besser, wenn er allein zu Hause ist? Helgi liest meine Gedanken und quengelt: Ich will nicht allein sein.
    Ja, ja, keuche ich und packe seine Hand. Dann kommst du eben mit.
    Ich spüre die Augen des Nachbarn auf meinem Hinterkopf, während ich mit Helgi im Schlepptau zurück zum Auto gehe.
    *
    Da ist es!
    Was?, fragt Helgi vom Rücksitz mit geschlossenen Augen.
    Das Haus meiner Freundin, sage ich, um seine Aufmerksamkeit zu wecken.
    Glaubst du, sie versteckt sich dort?
    Nein. Aber ihr Mann ist da drinnen, und ich muss ihm ein paar wichtige Informationen zukommen lassen.
    Darf ich mitkommen?
    Leider nicht. Der Mann hat keine Ahnung, wo seine Frau steckt, das ist etwas heikel, verstehst du?
    Helgi versteht das, weiß er doch nur zu gut, wie schnell einem die Eltern abhandenkommen können. Wir halten vor einem schmucken, zweigeschossigen Einfamilienhaus mit einem großen Panoramafenster, das sich über die gesamte erste Etage zieht, und Bäumen im Vorgarten. Auf der beleuchteten Einfahrt stehen ein fast neuer Range Rover, ein fast schon antiker Mercedes und ein amerikanischer Kombi. Im Haus brennt ein imposanter, aber geschmackvoller Kronleuchter, der aus Osteuropa oder Russland sein könnte. Das Muster auf den kunstvoll drapierten Gardinen ist gleichzeitig komplex und schön. Der Schein eines Fernsehers mischt sich in das Licht, ein Schatten erscheint am Fenster.
    Was zum Teufel will ich hier?
    *
    Gibt es etwas Neues?, fragt Gardar, nachdem er mir die Tür geöffnet hat. Er runzelt die Stirn, und ein enttäuschter Schatten legt sich über sein Gesicht, als ich sage, ich wolle ihn nur vor den drei Männern warnen. Die Polizei habe mich informiert, dass sie womöglich Terroristen seien, es könne sich um dieselben Leute handeln, die Benedikt ermordet haben.
    Das habe ich auch schon gehört, sagt er in einem Ton, in dem sich Zweifel mit Verwunderung mischt. Die Polizei hat sich bei mir gemeldet. Wenn meine Frau nicht verschwunden wäre, würde ich mich fragen, wo hier die versteckte Kamera ist. Terroristen! Und was kommt als Nächstes?
    Unglaublich, aber wahr, sage ich und versuche, an ihm vorbei einen Blick in das Haus

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