Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt
und sieht sich lachend um.
Oddný lässt sich nicht aus dem Konzept bringen und sagt: Auf eine gewisse Weise sind wir das, denn ein Schriftsteller muss über diese drei Dinge verfügen. In erster Linie muss er daran glauben, dass die Worte, die er aufschreibt, zu vielen anderen führen, so dass daraus eine ganze Geschichte wird. Er muss an seine Geschichte glauben – und diesen Glauben auf einer langen Reise ins Ungewisse nicht verlieren. Zweitens muss er darauf vertrauen, dass er genug Ausdauer besitzt, um seine Geschichte zu Ende zu bringen. Drittens muss er sich trauen, die Ideen fließen zu lassen, den Mut haben, sie zu benutzen oder auch zu verwerfen.
Der Wuschelkopf hat angefangen, sich Notizen zu machen. Andere tun es ihm nach, während Oddný wieder zur Tafel geht und schreibt:
Protagonist
Hauptpersonen und Nebenpersonen, Rolle und
Charakterisierung
Umfeld, Beschreibung und Erzählweise, siehe Material aus der letzten Sitzung
Beziehungen zwischen den Charakteren
Fragen, die die Geschichte aufwirft
Verbrechen/Rätsel
Plot/verborgene Ursachen des Verbrechens
Lösung
Dann wendet sie sich wieder der Gruppe zu: In einem klassischen Krimi verteilen sich diese Dinge auf Anfang, Mitte und Ende. Ich schlage vor, Sie behalten das im Hinterkopf und machen sich zu jeder dieser Rubriken ein paar Noti-zen: Beschreiben Sie das Umfeld in einer gesonderten Rubrik, die Beziehungen zwischen den Charakteren in einer zweiten und die Fragen, die die Geschichte aufwirft, in einer dritten. So erarbeiten Sie sich Stück für Stück ein Gerüst, um das Sie eine Geschichte bauen können, indem Sie mehr und mehr Dinge hinzufügen. Nur über den Stil sollten Sie erst einmal nicht nachdenken, zu dem finden Sie während des Schreibens von ganz allein. Erfahrene Schriftsteller können sich durch eine eigentümliche stilistische Figur zu einer ganzen Geschichte inspirieren lassen, indem sie ins Ungewisse sausen wie Kinder, die gerade die Stützräder weggelassen haben. Aber Sie sollten erst einmal mit dem Puzzlespiel beginnen, um ein Gefühl für die Geschichte zu bekommen.
Die Frau in dem Jogginganzug verzieht das Gesicht, so dass sich auf ihrer Nase feine Falten bilden. Was hat denn das jetzt mit einem Puzzle zu tun, ich dachte, es geht heute um den Plot?
Die mit dem wallenden Haar übernimmt es zu antworten. Stellt mütterlich fest, dass ein Plot immer etwas Unberechenbares sei. So habe sie einen Plot aus zwei ihrer Arbeitskollegen entwickelt, die Kinder mit derselben Frau hatten, ohne voneinander zu wissen.
Nun verstehe ich überhaupt nichts mehr, seufzt der Wuschelkopf. Kann der Plot einfach irgendwas sein?
Oddný ringt sich ein Lächeln ab. Ein Plot kann zum Beispiel aus den heimlichen Zielen des Protagonisten entstehen oder, wie so oft, aus etwas, das in der Vergangenheit liegt. Fangen Sie an zu schreiben, dann werden Sie schon merken, ob Sie auf etwas stoßen, rät sie.
Der Wuschelkopf glotzt wie ein Fisch auf dem Trockenen. Jetzt lassen Sie es dabei bewenden, den Leuten zu sagen, sie sollen einfach so drauflosschreiben? Ich will Ihnen eins sagen, wenn nicht Valgardur morgen käme, würde ich mein Geld zurückfordern.
Oddný und er sehen sich in die Augen, bis Helgi aufspringt, mit seinen Papieren wedelt und sehr deutlich sagt: Macht es einfach so wie ich. Man denkt sich einen Ort aus und ein paar Leute, und dann lässt man Dinge passieren. Genau wie mit Playmo oder Computerspielen. Das ist ganz leicht!
Nun lacht Mama. Rutscht mit tränenfeuchten Augen auf ihrem Stuhl hin und her. Das Gelächter steckt uns an. Mich, Helgi, die Frau mit dem wallenden Haar und alle anderen, sogar die Frau im Jogginganzug. Nur der Wuschelkopf schweigt. Dann packt er eilig seine Sachen zusammen und grummelt, dass hoffentlich Valgardur irgendetwas zu sagen habe. Knallt die Tür hinter sich zu.
Oddný tätschelt ihren Babybauch, auffällig kurzatmig, als sie die Teilnehmer in Gruppen einteilt, in denen sie sich gegenseitig ihre Ideen zeigen sollen. Helgi schlägt vor, dass wir drei eine Gruppe bilden. Er zeigt Mama seine Notizen für eine Geschichte, während ich mich leise mit Oddný über den morgigen Besuch von Valgardur unterhalte. Als ich mich schließlich wieder zu ihnen setze, fragt Mama, wie es mit der Suche nach Arndís vorangehe.
Mehr schlecht als recht.
Stimmt doch gar nicht! Du hast alles Mögliche im Internet gefunden, sagt Helgi und sieht mich durchdringend an, nachdem Mama ihn aufmunternd mit dem Ellenbogen anstößt.
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