Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt
Land überstellt würden. Die Männer würden jede Aussage verweigern. Und das, obwohl kein Zweifel daran bestehe, dass sie nicht hergekommen seien, um Urlaub zu machen. Es sei wohl unnötig zu sagen, wie ernst die isländische Kriminalpolizei den Fall nehme, es gebe schließlich Hinweise, dass einer von ihnen einer terroristischen Vereinigung angehöre – was natürlich streng vertraulich zu behandeln sei. Ich stehe mit leeren Händen da. Was soll ich bloß sagen? Meine Zunge ist schwer, als ich ihn ansehe und sage, dass die Männer mich mit irgendwem verwechselt haben müssen, da ich schließlich keiner terroristischen Vereinigung angehöre. Ich habe nur das Unglück gehabt, in ihr Visier zu geraten, und das sogar öfter als ein Mal. Vielleicht hatten sie befürchtet, ich könnte sie nach unserer ersten Begegnung identifizieren.
Die Röntgenaugen durchleuchten mich. Ob ich bereit sei, mit ins Präsidium zu kommen und eine Zeugenaussage dieses Inhalts zu unterschreiben?
Ja.
*
Was habe ich denn da unterschrieben? Doch was bringt es schon, sich deswegen ein schlechtes Gewissen zu machen. Das Wichtigste ist, dass Arndís und Hera nicht in die Sache hineingezogen werden. Das Kind trifft ja keine Schuld.
Hier können Sie halten, sage ich dem Taxifahrer. Die Polizei bezahlt die Fahrtkosten.
*
Im Kühlschrank liegt das Papageientaucher-Fleisch in einer Schale, die Bratpfanne steht auf dem Herd. Mama hat bereits alles vorbereitet, als sie Helgi vor dem Workshop abgeholt hat, doch es wird trotzdem ein spätes Abendessen. Der Gedanke, dass sie gleich hierherkommen, lähmt mich. Ich will nur noch schlafen. Schlafen, bis Axel kommt. So kann ich wirklich unmöglich weitermachen.
Er muss erfahren, in welchen Umständen ich bin.
Ich fühle mich verpflichtet, sofort bei Gardar anzurufen. Ich nehme das Telefon. Zumindest wird es interessant, wie er klingt, wenn Arndís bei ihm ist.
Gardar nimmt sofort ab. Als ich frage, wie es Mutter und Tochter gehe, fällt er mir ins Wort und sagt, dass Arndís heute gegen Mittag in die Schule gekommen sei, Hera mitten aus dem Mathe-Unterricht herausgeholt habe und mit ihr in ein Taxi gestiegen sei, ohne ihn zu informieren oder nach Hause zu kommen. Wissen Sie etwas darüber?, fragt er verzweifelt.
Ich weiß vielleicht mehr, als ich vorgebe, sage ich und muss mich hinhocken.
Und das wäre?
Ich weiß es nicht, Gardar. Wahrscheinlich weniger als Sie. Aber rufen Sie doch mal beim Flughafen an und erkundigen Sie sich, ob ein Passagier mit dem Namen abgeflogen ist. Arndís könnte geflohen sein.
Er spuckt mir die Worte geradezu entgegen: Beim Flughafen erkundigen! Haben Sie schon einmal etwas von Datenschutz gehört? Mit wem soll ich da bitte sprechen? Und überhaupt, wohin sollte Arndís fliehen? Und vor wem? Was ist hier eigentlich los?
Fast hätte ich ihm erzählt, dass Arndís Angst vor den drei Männern habe und er am besten zur Polizei gehen solle, solange die Männer noch nicht ins Ausland abgeschoben seien. Doch Hera zuliebe beherrsche ich mich und sage, dass Arndís auf der Flucht vor der Vergangenheit sei.
Was sollen diese beschissenen Klischees?, ruft er. Meine Frau hat kein Geheimnis in der Vergangenheit. Es geht hier um meine Familie. Und hören Sie endlich auf mit diesen ewigen Andeutungen! Erklären Sie mir lieber, was Sie mir neulich mit diesem ganzen Gerede über die drei Ausländer sagen wollten. Die Polizei hat doch von nichts eine Ahnung.
Kleinlaut sage ich, dass dieses ganze Gerede ein Missverständnis gewesen sei. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Was soll ich dem Mann auch sagen? Ich könnte das Kind gefährden, wenn ich zu viel verrate.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Gardar. Sie wird ihre Gründe haben. Aber nun wissen Sie wenigstens, dass sie am Leben ist.
Und?
Und dass Sie nicht aufgeben dürfen, nach ihr zu suchen. Ich muss jetzt aufhören. Entschuldigen Sie. Auf Wiederhören.
Das muss eine Panikreaktion von Arndís gewesen sein, einfach so mit ihrer Tochter zu verschwinden. Vermute ich, die nie begriffen hat, was in ihrem Kopf vorgeht. Ich, die überhaupt nie etwas begriffen hat. Ich atme tief ein, um mich nach dem Telefongespräch zu beruhigen. Was für ein Tag! Was für eine Woche! Ich verstehe überhaupt nichts. Und Fatima …
Ich nehme mir ein Glas Wasser. Trinke es in einem Zug aus. Mama und Helgi müssen bald hier sein. Das Sofa zieht mich in sich hinein, ich taste nach der Fernbedienung, süchtig nach Ablenkung, dann streiche ich über
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