Jenseits des Meeres
vertäuen. Megan konnte nur liegen und dabei Zusehen, denn die Seekrankheit hatte sie völlig kraftlos gemacht.
Als der Kahn schließlich vor Anker lag, ließ sich dessen Eigner von Kieran die Fahrt bezahlen. Weil er zum Festland zurückwollte, drehte er sich zu Megan um. „Könnt Ihr aufstehen?“
Sie nickte und versuchte es, doch die Beine trugen sie nicht. Kieran, der das sah, hob sie sich auf die Arme. Durch das flache Wasser watete er mit ihr ans Ufer, wo er sie ins Gras legte und sich danach an Colin wandte.
„Bleib bei ihr. Ich komme zurück, sobald ich ein anderes Schiff gefunden habe, welches uns über den Nordkanal bringen kann.“ „Und was ist mit Essen und Unterstand? Megan schaut so aus, als hätte sie beides nötig.“
Kieran warf rasch einen Blick auf sie und guckte dann seinen Bruder an. Um Megan weiteres Unbehagen zu ersparen, sprach er nur ganz leise: „Das brauchen wir alle, Megan ganz besonders. Doch die Soldaten, die uns verfolgen, werden bald hier sein. Wir dürfen uns hier nicht sehr lange aufhalten, sondern müssen umgehend nach Irland in See stechen.“
„Bei diesem Unwetter?“
Kieran war natürlich aufgefallen, in welchem Zustand Megan sich befand. Und es gefiel ihm durchaus nicht. Sie besaß jetzt nicht die Kraft, auch nur ihren Arm zu heben, geschweige denn, einen schweren Säbel. Doch dagegen ließ sich nichts machen. Sie waren hier nicht sicher.
„Wir werden aufbrechen, sobald ich ein Schiff sowie einen Fischer finde, der bereit ist, es zu segeln. Behalte das Ufer im Auge. Sobald du ein Boot siehst, welches vom Festland kommt, bringe Megan in Sicherheit und benachrichtige mich.“
Colin nickte.
Nachdem Kieran gegangen war, kniete sich sein Bruder neben Megan, deren Zähne heftig klapperten. „Kommt, Megan.“ Colin trug sie in eine kleine Höhle. Als sie nicht mehr dem Unwetter ausgesetzt war, wickelte er sie in seinen Umhang. Danach sammelte er abgebrochene Zweige und Äste vom Boden auf. Bald hatte er genug Brennmaterial zusammen.
Er schichtete es in der Höhle aufeinander und entzündete es. Binnen kurzem zitterte Megan nicht mehr, obgleich ihr Gesicht noch immer fahl und bleich wirkte.
Über den dunklen Himmel zogen weiterhin dicke Gewitterwolken.
Als plötzlich ein Blitz zuckte, packte Megan Colins Arm und deutete mit der anderen Hand zum Ufer. „Um Himmels willen! “
Colin drehte sich rasch um und spähte in die Dunkelheit. „Was ist, Megan? Was habt Ihr gesehen?“
„Unsere Verfolger! Sie haben das Ufer erreicht.“ Megan hob eine Hand voll Sand auf und erstickte damit das Feuer.
„Seid Ihr sicher? Habt Ihr sie erkannt?“
„Gewiss, es besteht kein Zweifel.“
Einen Moment schwieg Colin. „Die Dunkelheit kann sich sowohl zu unseren als auch zu deren Gunsten auswirken“, flüsterte er dann. „Falls sie unser Feuer nicht schon entdeckt haben, können sie nicht wissen, dass wir uns hier befinden. “
„Das stimmt.“
Er reichte ihr die Hand. „Könnt Ihr aufstehen?“
„Wenn Ihr mir dabei helft.“
Sie ergriff seine ausgestreckten Hände und ließ sich von ihm hochziehen. Im prasselnden Regen stolperten sie zwischen Felsbrocken voran und hofften, dass ihnen die Flucht gelang, bevor der nächste Blitzschlag sie für jedermann sichtbar werden ließ.
Sie liefen in die Richtung, welche Kieran eingeschlagen hatte, und gelangten bald zu einem kleinen Fischerdorf. Dort folgten sie einem schmalen Pfad und kamen schließlich zu einem Wirtshaus.
Drinnen vertrieb ein munteres Feuer die trübe Stimmung des Unwetters. Auf dem Tisch in einer Ecke brannte eine Kerze. Zwei Männer hatten dort die Köpfe zusammengesteckt und waren offenbar in ein Gespräch vertieft. Eine junge Schankmagd stand hinter einem der Männer und hatte ihm recht vertraulich die Hand über die Schulter gelegt.
Nachdem sich ihre Augen an die schwache Beleuchtung gewöhnt hatten, sahen Colin und Megan, dass die drei aufschauten und zur Tür blickten. Erst jetzt erkannten sie, dass es sich bei einem der Männer - es war derjenige, auf dessen Schulter der Arm des Mädchens lag - um Kieran handelte.
Dieser warf Colin jetzt einen verärgerten Blick zu. „Weshalb seid ihr beide hergekommen?“
„Wir ..." Colin schluckte. Er überlegte, wie viel er vor diesen Fremden preisgeben konnte. „Wir hatten doch abgemacht, dass wir ... wenn wir vor dem Unwetter fliehen müssten, dich holen kommen sollten. Kieran, wir sollten sofort von hier verschwinden.“ „Du magst ruhig frei reden. Ich
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