Jenseits des Meeres
ihre Finger mit seinen verflocht. „Die Frauen waren aufmerksame Schülerinnen.“
„Lady Megan lehrte uns, welche Kräuter man sammeln muss und wie man sie dann zu einer beruhigenden Heilsalbe zerstampft“, erzählte Bridget.
„Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Latwerge von Lady Megan gemacht“, versicherte Kieran, „und Colin ebenfalls. Ich glaube sogar, er hätte diese Reise sonst auch gar nicht überlebt.“
Hugh und Tavis merkten, welche Leidenschaft aus Kierans Worten sprach.
„Als wir uns verabschiedeten, küssten die Frauen Lady Megan die Hände“, plapperte Bridget ehrfürchtig.
„So etwa?“ Kieran führte Megans Hand an die Lippen, während die anderen lachten.
„Ja, ungefähr so.“
Stolz blickte Kieran von der Frau neben sich zu dem kleinen Mädchen, das so selbstverständlich auf dem Pferd saß.
Es war wirklich erstaunlich, wie Megan das Leben so vieler Menschen verändert hatte. Bridgets zuvor so bleiche Wangen hatten nun Farbe, und in ihren Augen leuchtete ein Feuer, das nach dem Verlust ihrer Eltern erloschen war. Zum ersten Mal glaubte Kieran, dass seine Nichte es schaffen würde, ihre Trauer zu überwinden.
„Nun, Bridget“, begann er, „möchtest du Soldat oder Heilerin werden, wenn du erwachsen bist?“
„Lady Megan meint, ich könnte alles werden, was ich will. Also würde ich gern beides werden - Soldat und Heilerin. So wie sie.“
Hugh Cleary lachte leise. „Gib nur Acht, mein Freund. Mir scheint, die Lady hat auf jede Frage eine Antwort.“
„Das ist mir auch schon aufgefallen. Ist sie nicht wirklich bemerkenswert?“
Tavis, dem die Vertraulichkeit zwischen Megan und Kieran nicht entgangen war, zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Hat nun endlich jemand dein Herz gewonnen, Kieran?“
„Ja.“
„Lasst Euch warnen, Mylady.“ Tavis lachte. „So manch ein Mädchen träumte schon davon, diesen Schurken zu zähmen, doch immer, wenn er der Jagd müde ist, lässt er sie alle weinend in die Arme der Mütter zurücklaufen.“
Kieran drückte Megans Hand. „Diese Lady weint nicht so leicht, alter Freund. Außerdem hege ich keine Absicht, sie zu verlassen.“ Als sie das Kastell betraten, lief Bridget sofort in die große Halle, wo ihre Großmutter schon ungeduldig darauf wartete, dass das kleine Mädchen ihr von seinem Tag im Dorf berichtete. Doch als Hugh und Tavis sich umdrehten, waren Megan und Kieran nicht mehr da.
„Offenkundig ziehen die beiden ihre eigene Gesellschaft vor, mein Freund“, bemerkte Hugh verständnisvoll.
„Es scheint ganz so. Doch wäre es denn möglich, dass er sie tatsächlich liebt?“
Tavis machte einen verwirrten Eindruck. Schweißperlen standen ihm auf Stirn und Oberlippe. Er sieht aus wie ein Mensch, der eine schwere Last auf seinen Schultern trägt, dachte Hugh.
„Weshalb, glaubt Ihr, hat Eure Mutter der Verlobung mit Sir Cecil Kettering zugestimmt?“ fragte Megan, als sie mit Kieran allein war.
Nachdem er beharrlich schwieg, bedauerte sie ihre Worte sogleich.
Erst sehr viel später ergriff er wieder das Wort. „Lange Zeit, bevor meine Mutter ihr Herz an meinen Vater verlor, hatten ihre Familie und König Heinrich ihre Verlobung mit Sir Cecil arrangiert.“ „Ja. Das hörte ich von Colin. Doch dieses Arrangement wurde vor vielen Jahren getroffen, als beide noch Kinder waren.“
Kieran wandte sich ab. „Möglicherweise trugen sie ja immer eine heimliche Liebe zueinander im Herzen“, erwiderte er leise und zornig. „Mein Vater ist schon lange tot. Colin und ich befanden uns im Gefängnis. Meine Mutter hatte niemanden, der sie hätte trösten können.“
„Lady Katherine ist eine starke Frau. Sie würde sich doch einem Mann nicht nur des Trostes wegen zuwenden.“
Kierans Stimme klang jetzt eiskalt. „Dann vermisst sie möglicherweise ihre Heimat. Oder den Luxus, den sie aufgab. Welchen Grund sie auch haben mag - sie hat sich einem Scheusal versprochen. Was auch immer ich von dem Kerl halte - ich habe nicht das Recht, mich einzumischen. Meiner Mutter steht es frei, wieder zu heiraten, falls es ihr Herzenswunsch ist.“
„Ich habe die beiden beobachtet.“ Megan legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wenn sie einander anblickten, ist keine Liebe in ihren Augen, Kieran.“
Er drehte sich zu ihr um. Seine Miene drückte Schmerz und Zorn aus. „Ich will nicht mehr darüber reden.“ Als er merkte, wie sehr seine barschen Worte sie gekränkt hatten, streichelte er ihr die Wange und spürte, wie sein Zorn
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