Jenseits des Meeres
ist an der Zeit, sie mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren.“
18. KAPITEL
Pater Arden Malone war groß gewachsen und schlank. Das spärliche braune Haar fiel ihm in die hohe Stirn. Er hatte lange, schmale Finger, und wenn er die Hand zum Segen hob, wagten die Gläubigen vor Ehrfurcht kaum zu atmen. In seinen Vertrauen erweckenden Augen spiegelte sich seine Geistesgüte. Im Kloster betrachtete man ihn als einen Gelehrten, der zweifellos die Rangleiter bis hinauf zum Bischof oder Kardinal erklimmen würde, wenn eines nicht gewesen wäre: Pater Malone wollte nämlich nur ein einfacher Priester und Hirte seiner Gemeinde sein.
Er liebte die Menschen in diesem armen Land, als wären sie seine eigenen Kinder. Sein Volk lebte jetzt schon so lange in der Unterdrückung. Er verstand die Ängste der Menschen um ihre Kinder, und er verstand, wie enttäuscht sie von der Monarchin am anderen Ufer des Meers und vom Papst im fernen Europa waren. Den Leuten hier war es kaum gestattet, etwas zu beschließen, doch Pater Malone nahm sich vor, die wenigen Entscheidungen anzuerkennen, welche die Menschen selber treffen durften.
Er selbst war in einer großen, liebevollen Familie aufgewachsen. Sein Vater und seine Brüder waren erdverbundene Männer, die ihre Tiere und ihre Scholle genauso sehr liebten wie ihre Ehefrauen und Kinder. Als einfache Leute waren sie ebenso stolz auf ihren ältesten Sohn, der taubstumm geboren war, wie auf ihren jüngsten, dessen scharfer Verstand alles übertraf, was sie sich vorstellen konnten.
Seit seiner Geburt war Arden Malone von seiner Mutter und den Schwestern verwöhnt worden. Er hatte gesehen, wie seine Geschwister sich verliebten, dann heirateten und viele Kinder bekamen. Immer wenn er bei ihnen zu Besuch war, stürzten sich seine Nichten und Neffen auf ihn. Im Gegensatz zu vielen Priestern fühlte er sich in der Gesellschaft von Frauen ebenso wohl wie in der von Männern.
Deshalb war es nur natürlich, dass Cara O’Byrne in ihrer Seelen-qual zu ihm gekommen war. Voller Mitgefühl hatte er ihr zugehört, als sie ihm von ihren Gefühlen für Colin O’Mara und ihren eigenen sowie Colins Versuchen erzählte, ihre beiderseitige Liebe zu opfern, um Gott zu dienen.
Auf Caras Drängen hin hatte sich Colin nach der unglücklichen Besprechung mit dem Bischof, seinem Onkel, ebenfalls an Pater Malone gewandt. Schweigend hatte sich der Priester angehört, was der Bischof von den beiden jungen Leuten verlangte, und er hatte gemerkt, wie tapfer sie mit ihren widersprüchlichen Vorstellungen von Liebe kämpften. Und schließlich wusste er, was er zu tun hatte.
Nun stand er in der stillen Kapelle, sprach die lateinischen Worte, brach das Brot und nippte an dem Wein. Das Licht der Morgensonne fiel über das glänzende Holz des Altars. Der scharfe Geruch von Weihrauch hing noch in der Luft.
Der Pater lief zu dem knienden Paar und legte den beiden die Hand auf die Schulter. „Ihr habt vor Gott einen Schwur abgelegt. Nun gehet hin und liebet einander. Ihr seid jetzt miteinander verbunden, bis dass der Tod euch scheidet.“
Seine ernsten Worte schienen in der fast menschenleeren Kapelle widerzuhallen.
Mit leuchtenden Augen erhoben sich die beiden jungen Leute und sahen einander in die Augen. Tränen liefen über Caras Wangen, und sie wischte sie sich mit dem Handrücken fort. Ihr ganzes Leben lang hatte sie von einer Trauung geträumt, bei der ihre Familienangehörigen anwesend sein und dem Paar alles Gute wünschen würden. Doch diese Zeremonie mit dem sanften Priester hatte sie zu Tränen gerührt. Sie brauchte keine ausgelassene Feier an diesem Tag. Ihr genügte das Wissen, dass sie und Colin nun verheiratet waren.
Colin drückte einen Kuss in Caras Handinnenfläche und wandte sich dann an Pater Malone. „Was ist mit dem Bischof? Wird er nicht versuchen, unsere Ehe zu annullieren, wenn er erfährt, dass wir seine Forderung missachtet haben?“
„Fürchtet weder den Bischof noch sonst einen Menschen“, antwortete Pater Malone feierlich. „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.“
Als Megan, Bridget und Hugh Cleary auf ihren Pferden aus dem Dorf zurückkehrten, sahen sie Kieran ebenfalls hoch zu Ross. Er näherte sich aus dem die Ansiedlung umgebenden Wald, und an seiner Seite ritt Tavis Downey.
Er lenkte seinen Hengst neben Megans Tier. „Wie ist der Unterricht verlaufen?“ erkundigte er sich.
„Recht gut.“ Sie errötete, als Kieran unvermittelt ihre Hand nahm und
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