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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Helligkeit in den Schatten hinein.
    »Ist das schön, dich zu sehen!« Grace schlang die Arme um Cecily und drückte sie fest an sich, hielt sie dann ein Stückchen von sich weg. In ihrem Reitkostüm mit der feschen Kappe wirkte Cecily wie eine voll erblühte edle Teerose in einem blauen Seidenfutteral, ihre Haut seidig schimmernd und die Wangen rosig vom schnellen Ritt. »Gut siehst du aus!«
    »Danke sehr!« Cecily strahlte über das ganze Gesicht.
    »Lizzie hat uns den Tisch im Garten gedeckt«, sagte Grace und nahm die Freundin bei der Hand. »Danke, Ben!«, rief sie dem Kutscher zu, der mit der einen Hand die weiße Stute am Zaumzeug hielt und ihr mit der anderen Hand unter zärtlichem Gemurmel über den Hals strich. Er nickte Grace freundlich zu. »Gerne doch, Miss Grace! Lady Cecily.«
    »Es tut mir so unendlich leid, dass ich dich an deinem Geburtstag nicht besucht habe«, sprudelte Cecily heraus, während sie über den Hof gingen und durch eine der Glastüren ins Haus traten. »Aber nach London und wieder zurück an einem Tag – das hätte ich einfach nicht geschafft!«
    »Das macht doch nichts«, gab Grace zurück. »Ich habe ohnehin fast den ganzen Tag über den Büchern gesessen. Für zwei Stunden kamen ein paar andere Studentinnen und ein paar Mitschülerinnen von Ads vorbei auf einen Tee und ein Stück vom Geburtstagskuchen, und danach habe ich bis in die späte Nacht hinein noch gebüffelt.«
    Cecily zog die Brauen zusammen und blickte beinahe mitleidig drein. »Ist das nicht furchtbar langweilig auf Dauer?«
    Grace lachte. »Kein bisschen! Manchmal ist der Stoff zwar sehr trocken, und Auswendiglernen mochte ich noch nie wirklich gern – aber langweilig finde ich es am Bedford wahrhaftig nicht. Im Gegenteil.« Sie schob die Tür vom Salon in den Garten auf. »Nochmals vielen Dank für den schönen Morgenrock, den du mir zum Geburtstag geschickt hast!«
    Aus dem Rasen sprang ein braunes, lockiges Wesen auf und spritzte mit hinterherflatternden Ohren auf sie zu, hüpfte dannwinselnd und mit heraushängender Zunge abwechselnd an Cecily und Grace hoch.
    »Ein Water Spaniel!«, rief Cecily entzückt, als Grace den zappelnden, kaum zu bändigenden Welpen auf den Arm nahm, und streckte die Hand nach ihm aus, der sogleich ihren Reithandschuh abschlabberte. »Ja hallo, wer bist du denn?«
    »Darf ich vorstellen: Das ist Henry!«, verkündete Grace. »Nach König Heinrich VIII . benannt, dem wir ja über Umwege Shamley verdanken – und weil wir achtgeben müssen, dass dieser kleine Vielfraß später einmal nicht so aussieht wie sein Namensvetter auf seinen letzten Porträts. Papa hat ihn vor zwei Wochen beim Züchter abgeholt.«
    »Hallo, Henry«, sagte Cecily und kraulte ihn hinter den Ohren. »Habt ihr ihn denn auch ordnungsgemäß getauft?«
    »Aber ja«, lachte Grace, während sie durch den Garten gingen, der still in der Sonne dalag. Nur ab und zu war aus den Wipfeln der Bäume ein träges Tschilpen zu hören. »Ads und ich, im Cranleigh, so wie bei Gladdy damals.« Sie hielt spielerisch die Schnauze des jungen Hundes zu und ließ sie wieder los, was er abwechselnd mit einem drolligen Babyknurren und einem zähnefletschenden Fangenspielen mit ihren Fingern beantwortete. »Ein lieber, verschmuster Kerl ist er! Ich habe das Gefühl, er weiß, wie sehr wir um Gladdy trauern, und er strengt sich deshalb doppelt an, unsere Herzen zu erobern.« Wehmütig sah sie hinüber zu der Eiche, unter der Gladdy begraben lag. Außerhalb des Schattens, den das Laubdach warf, wuchs in einem Kreis sorgsam gewässerter Erde ein recht kärglicher Strauch. »Siehst du das Gewächs dort drüben, bei der Eiche? Das ist ein Ableger des Christusdornes von Estreham. Der Earl war so nett, Mama einen zukommen zu lassen, als sie ihn darum bat.«
    »Warum denn ausgerechnet einen Christusdorn?« Cecily verzog das Gesicht und streifte die Handschuhe ab. »Der ist doch so stachelig und kahl! Rosen wären viel hübscher gewesen. Oder von mir aus auch ein Rhododendron!«
    Grace lächelte, während sie versuchte, Henry daran zu hindern, an den Rüschen ihres Ausschnitts zu kauen. »Weil der Christusdorn mit etwas Glück und der richtigen Hege sehr, sehr alt werden kann. Mama hat die Hoffnung, dass noch ihre Enkel und Urenkel ihn sehen werden und dass Gladdy und Tabby so im Gedächtnis der Familie bleiben.« Auch Tabby lebte mittlerweile nicht mehr, und obwohl sie ein selbst für eine Katze biblisches Alter erreicht hatte, war Ada

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