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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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wieder zu Hause bist?«
    Jeremys Mund spannte sich an, und er sah zur Seite.
    »Was fragen?«, brummte er ausweichend.
    Leonard lachte. »Du machst mir Spaß! Was wohl – die Frage aller Fragen natürlich!« Jeremy spürte, wie Leonards Blick sich in ihn bohrte, bevor dieser leise hinzufügte: »Oder hast du sie etwa schon gefragt?«
    Die Wände von Jeremys Magen fühlten sich mit einem Mal dünn an und trocken wie Papier, wie Papier, das man in der Faust zerknüllte. Er kannte Leonard, er wusste, dieser würde keine Ruhe geben, bis er ihm irgendeine Antwort entlockt hatte.
    Jeremy hob den Blick an. »Ja, hab ich. Und sie hat Ja gesagt.«
    Leonard wirkte plötzlich blass unter seiner Sonnenbräune, die blaue Iris seiner Augen klar, kalt und scharf wie eine Glasscherbe. Dann hob er die Brauen, und ein Lachen brach aus ihm hervor.
    »Whuuuuuuuuuu«, jubelte er und beugte sich vor, packte Jeremy an der Schulter und schüttelte ihn. »Glückwunsch! Der Neid der Männer von Surrey ist dir sicher! Und die Bewunderung!« Er ließ ihn los und hielt ihm den ausgestreckten Zeigefinger unter die Nase. »Dafür musst du uns aber einen ausgeben, das ist dir hoffentlich klar?!«
    Um Jeremys Mund zuckte es. »Keine Frage, mach ich selbstredend. Aber erst wenn es offiziell ist. So lange – so lange möchte ich dich bitten, es für dich zu behalten. Kannst du mir das versprechen?«
    »Sicher.« Leonard grinste. »Gib mir einfach nur Bescheid, wann ich dich daran erinnern soll, uns ein paar Runden zu schmeißen.« Er schob sich vom Tisch herunter und verpasste Jeremy noch einen Boxhieb gegen die Schulter. »Wart aber nicht zu lange damit, es offiziell zu machen – eine Frau wie Grace lässt man nämlich nicht warten!«
    Die dumpfen Schläge des Tamburins, das Rasseln und Klingeln des Schellenkranzes, das rhythmische Händeklatschen und die Gesänge aus geschmeidigen Frauenkehlen, die sich in verführerischem Zungenschlag durch den Raum wanden, umnebelten Leonards Geist und betörten seine Sinne. Der Rauch aus der Wasserpfeife, ein paar Gläser Arak, die ihm schnell zu Kopf gestiegen waren, die Parfums in der Luft, nach Amber, nach Moschus, nach Zimt und Sandelholz und Rosenblüten, die er mit jedem Atemzug in sich aufnahm, trugen das ihre dazu bei. Träge lagerte er auf den bestickten Polstern, in jedem Arm eine Frau, und sah der Tänzerin in der Mitte zu, deren Hüften im Takt der Musik kreisten und seitwärts zuckten, ihren kleinen strammen Bauch erzittern ließen. Die Ketten mit Münzen um ihre Taille gaben dabei ein feines Klimpern von sich, und während sie die beinahe aus dem Ausschnitt ihres engen, taillenkurzen Leibchens quellenden Brüste schüttelte, zeigte sich hinter ihrem durchscheinenden Gesichtsschleier ein verführerisches Lächeln.
    Leonard lächelte sarkastisch zurück. So sarkastisch, wie es wohl niemand vermutet hätte, der Leonard Hainsworth Baron Hawthorne kannte. Genauso stellt sich jeder englische Gentleman eine Nacht in Cairo vor. Ein schwülstiges Zerrbild des Orients – und doch sitze ich hier mittendrin. Erlebe als greifbare Wirklichkeit, was im Grunde gänzlich fern von jeder Wahrhaftigkeit ist. Unendlich fern von dem, was mir etwas bedeutet.
    Hier, bei Madame Zahra, während die anderen Lieutenants völlig bestrickt waren von all der betörenden Weiblichkeit, die sie umgab, und sich an der Sinnlichkeit im Raum berauschten, konnte er die Maske des ewig gut gelaunten, ewig strahlenden Goldjungen fallen lassen. Eine Maske, die keine Lüge war, die aber nur selten Raum ließ für ernste Momente und nie für solche, in denen ihm elend zumute war. So elend wie an diesem Abend.
    Das noch sehr junge Mädchen – sechzehn, vielleicht siebzehn, gewiss nicht viel älter – in seinem Arm zupfte spielerisch am geöffneten Kragen seines Hemdes, ließ seine Finger daruntergleiten und strich über seine Brust, durch das goldene Vlies darauf. Die andere Frau, etwas älter, doch noch immer als jung zu bezeichnen, drückte ihren üppigen Busen gegen Leonards Hüfte und streichelte seinen Oberschenkel.
    Leonard wandte sich dem Mädchen zu und legte die Hand auf ihre Wange, hob das hübsche, sanft geschnittene Gesicht zu sich hoch und drückte die Lippen auf den vollen Mund, der nach Minze und nach Malventee schmeckte. Der sich willig öffnete, mit einer Zunge, die seiner entgegenkam, lockte und schmeichelte. Das Mädchen löste sich von ihm und schenkte ihm ein Lächeln, das unter den gesenkten Lidern mit ihrem dichten

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