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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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der Hilfe britischer Ratgeber und nach britischen Maßstäben von Gerechtigkeit, Zivilisation und Menschenwürde. Eine Gendarmerie nach britischem Vorbild sollte geschaffen und eine neue ägyptische Armee ausgehoben und ausgebildet werden. Bis es so weit war, dass diese Truppen für Recht und Ordnung sorgen könnten, würden die britischen Truppen im Land bleiben.
    Kein Grund, sollte man meinen, dem einen oder anderenSecond Lieutenant oder Lieutenant in dieser keinesfalls angespannten Lage und nach fast eineinhalb Jahren in der Fremde nicht einen kurzen Heimaturlaub zu gönnen. Dass man auf höherer Ebene offenbar anderer Meinung war, stimmte Jeremy nachdenklich. Es kam ihm so vor, als wäre man dort ebenfalls argwöhnisch und hütete sich davor, sich in allzu trügerischer Sicherheit zu wiegen. Manchmal hatte er das Gefühl, das feine Vibrieren einer Bedrohung läge in der Luft. Nicht hier, nicht in Cairo, sondern weit, weit draußen im Land – wie das andauernde leise Ticken einer Uhr, die meiste Zeit ein kaum wahrnehmbares Hintergrundgeräusch, das zuweilen jedoch nervenaufreibend ins Bewusstsein drang.
    Er drehte sich um, als es hinter ihm klopfte.
    »Stör ich?« Augenzwinkernd hing Leonard im Türrahmen.
    »Schon in Ordnung. Komm ruhig rein«, erwiderte Jeremy. »So vergnügt, wie du dreinschaust, hast du deinen Urlaub genehmigt bekommen.«
    »Falsch geraten.« Leonard schnitt ein Gesicht, als er seinen ebenfalls als abgelehnt gestempelten Antrag hochhielt. »Hab ich eben abgeholt. Du etwa auch nicht?«
    Jeremy schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht.« Als Leonard näher kam, schob er, ohne hinzusehen, ein leeres Blatt über den eben begonnenen Brief an Grace.
    »Nimm’s sportlich«, sagte Leonard grinsend und schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. »Besser, wir bekommen alle keinen Heimaturlaub genehmigt, als dass nur einer oder zwei von uns fahren können und der Rest hier hocken bleibt und Trübsal bläst.« Er rückte den Rimbaud und den Briefstapel zur Seite und ließ sich auf der Tischkante nieder, ein Bein am Boden, das andere locker über die Kante baumelnd. »Ich geh heut Abend mit den anderen frischgebackenen Lieutenants von den Berks und den Staffs zu Madame Zahra – zur Feier des Tages.« Auch auf dem Ärmel von Leonards Uniformrock prangte seit ein paar Tagen der Streifen eines Lieutenants. »Bist du dabei?«
    »Nett, dass du an mich denkst«, gab Jeremy mit mildem Spott zurück. »Aber einmal mehr muss ich dankend ablehnen. Kein Bedarf.«
    »Maaann«, rief Leonard mit einem Auflachen aus, und er stupste mit der Stiefelspitze gegen Jeremys Oberschenkel. »Mit euch ist wahrhaftig nichts mehr los! Royston und Simon sind von mir aus entschuldigt, sind ja schließlich in festen Händen. Aber dass Stevie sich mit hochrotem Kopf so ziert – und du jetzt auch noch ...« Leonards Blick fiel auf die Photographie, von den Blättern auf dem Tisch nur halb verdeckt. »Darf ich?«
    Als Jeremy nickte, nahm Leonard das Bild und betrachtete es eingehend. Jeremy fühlte sich unbehaglich. In Leonards Gesicht sah er die Widerspiegelung seiner eigenen Empfindungen, verzerrt zwar durch ihrer beider Gegensätzlichkeit, in der Essenz aber doch dieselben.
    »Das wird ihr kein bisschen gerecht«, murmelte Leonard. »Es ist ihr anzusehen, dass das Stillstehen ihr gar nicht liegt.« Dennoch fiel es ihm sichtlich schwer, den Blick davon zu lösen und die Photographie zurückzulegen. Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte er einige Herzschläge lang vor sich hin, dann sah er Jeremy offen an. »Ist das was Ernstes zwischen euch?«
    Jeremy wich seinem Blick aus, fuhr sich mit dem Daumenballen über die Unterlippe, bevor er seine Augen wieder auf den Freund richtete. »Hör mal, Len ... Ich weiß, du und Grace, ihr standet euch einmal sehr nahe, und ich –«
    »Oh«, fiel Leonard ihm ins Wort und setzte sich mit einem tiefen Einatmen auf, »wir stehen uns immer noch sehr nahe. Daran wird sich auch nichts ändern.«
    Leonards Worte, sein Blick, seine ganze Haltung wirkten auf Jeremy, als enthielten sie eine unausgesprochene Kampfansage. Dann breitete sich ein Lächeln auf Leonards Zügen aus, und er ruckte mit dem Kopf in Jeremys Richtung. »Also los, sag schon: Ist es was Ernstes?«
    Jeremy ließ sich im Stuhl zurückfallen, vergrub die Händein den Hosentaschen und sah Leonard unverwandt an. »Ja, ist es.«
    Leonards Lächeln ging in ein erwartungsvolles Grinsen über. »Hast du vor, sie zu fragen, wenn du

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