Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
die Heilige«, gab Cecily zurück und verdrehte die Augen.
    »Blödsinn«, murmelte Grace und kniff die Augen zusammen, als Henrys Zunge ihr eifrig über das Gesicht leckte.
    »Mir kommt das kein bisschen seltsam vor«, meinte Cecily und klang leicht gereizt. »Denn ob ich mich so wie du verkrieche oder lieber ausgehe – ändert das irgendetwas daran, was dort unten geschieht?«
    »Natürlich nicht.« Grace bettete Henry in ihre Armbeuge, und er begann sogleich den Ärmel ihres Kleides mit den Zähnen zu bearbeiten. Sie nahm ihn beim Nackenfell und schüttelte ihn leicht. Der Welpe zog eine enttäuschte Miene und begnügte sich dann damit, unter einem tiefen Aufschnaufen den Kopf an ihren Arm zu kuscheln. »Denkst du nie darüber nach, dass ihnen etwas zustoßen könnte?«
    »Pfftt«, machte Cecily und nahm sich einen der marmeladengefüllten Kekse. »Was soll ihnen denn zustoßen? Ist doch alles ruhig in Cairo! Unsere Jungs haben doch den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als in der Kaserne herumzusitzen oder durch die Stadt zu flanieren. Was soll ich mir darüber denn Gedanken machen?«
    Grace zog Henry, der in einen dösigen Zustand hinübergeglitten war, liebevoll am Ohr. »Und wenn es nicht so ruhig bleibt?«
    »Und wenn, und wenn ...«, schnaubte Cecily ungehalten. »Militärisch sind die Truppen des Empires allen anderen Armeen haushoch überlegen, noch dazu diesen Barbaren dort unten. Stand in der Zeitung. Herrje, Grace, was ist denn los mit dir? Du warst doch früher nicht so grüblerisch veranlagt!«
    Grace blieb stumm und streichelte gedankenverloren den kleinen Hundeleib in ihrem Arm, der sich in schlafschwerem Atem ausdehnte und wieder zusammenzog. Jeremys letzter Brief, Mitte Juli aus dem glühend heißen Cairo abgeschickt, ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Darin hatte er seine Gedanken mit ihr geteilt, dass der Einsatz in Ägypten womöglich erst der Anfang gewesen war. Von Unruhen, weit, weit unten im Sudan hatte er geschrieben, zu deren Niederschlagung ägyptische Truppen unter der Führung eines pensionierten britischen Colonels und einer Handvoll Offiziere anderer europäischer Länder, die in Diensten des Khediven standen, irgendwann im September entsandt werden würden.
    Viel wissen wir hier nicht über den Feind, der sie dort erwarten wird. »Derwische« werden sie genannt, nach dem sudanesischen Wort für »heilige Männer«, versammelt hinter ihrem Anführer, den sie den »Mahdi« nennen, »den Erwählten«. Sie sollen nur mit Schwertern, Speeren und Stöcken bewaffnet sein, während die ägyptischen Truppen Gebirgsgeschütze von Krupp und Salvengeschütze von Nordenfelt erhalten werden. Über zehntausend Mann will man in den Sudan schicken, die größte moderne Armee, die je ins Innere dieses Landes einmarschiert ist, wie mir ein Offizier erzählte, mit dem ich dieser Tage ins Gespräch kam.
    Er erzählte mir aber auch, dass er nach einer ersten Inspektion der Soldaten in ihren Quartieren entsetzt war über das, was er dort sah. Offenbar entstammt ein Großteil der Soldaten jenen Truppen, die in Tel el-Kebir aufseiten Arabis gekämpft hatten und nach ihrer Niederlage von uns gefangen genommen worden waren. Und diese Männer tun alles, um nicht wieder in den Krieg zu müssen. Einige haben sich wohl selbst die Zeigefinger abgehackt, damit sie als untauglich ausgemustert werden, weil sie so nicht mehr den Abzug eines Gewehrs betätigen können. Andere haben sich ätzenden Kalk in die Augen gerieben, um ihre Sehkraft zu schädigen. Mittlerweile ist sogar die Rede davon, die Ägypter in Ketten in den Sudan zu bringen und erst für den Kampf freizulassen.
    Soweit ich es beurteilen kann, ist diese Armee wider Willen keinesfalls in der Lage, einem auch nur halbwegs entschlossenen Gegner standzuhalten. Meiner Ansicht nach bedeutet das allerdings, dass im Zweifel wir eingreifen müssten. Wir, die Briten, die wir ohnehin schon vor Ort sind ...
    Die Nachricht, dass in Cairo die Cholera ausgebrochen war, trug ebenfalls nicht zu Grace’ Beruhigung bei. Sie wollte Cecily schon davon erzählen, da rutschte ihr, durchaus bissig, heraus: »Interessiert es dich überhaupt, was Ägypten für ein Land ist und was sich dort gerade tut?«
    Diese zuckte mit den Schultern. »Nicht besonders. Warum?«
    Grace verschluckte sich beinahe an ihrem Tee. »Vielleicht weil dein Bruder dort ist und der Mann, den du liebst? Mein Bruder und unsere Freunde?«
    Cecily nahm sich einen weiteren Keks und knabberte ein

Weitere Kostenlose Bücher