Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
die Auseinandersetzung aufmerksam geworden und sah herüber. Seine stramm aufgerichtete Gestalt verhieß Ärger.
»Alles in Ordnung, Sir!«, rief Royston ihm zu.
»Ja, Sir, alles bestens!«, kam es von Leonard, bevor er energisch mit dem Kopf ruckte, um Highmore zu bedeuten, dass er abhauen solle. »Wird’s bald!«, setzte er nach.
»Ein solches Dreckspack seid ihr – einer wie der andere!«, schnaubte Freddie Highmore, trollte sich dann aber.
Aufseufzend ließen sich die drei wieder auf der Felskante nieder, Leonard unmittelbar neben Jeremy, dem er aufmunternd auf die Schulter klopfte. »Was ich vorhin noch sagen wollte ...« Ein Grinsen zog über sein Gesicht. »Falls es dir entgangen sein sollte: Unsere Kompanie hatte den wenigsten Verlust an Wasser und konnte den anderen sogar noch etwas abgeben. Es kann auf jeden Fall nicht schaden, in meiner Nähe zu bleiben. Du weißt ja, ich bin der geborene Glückspilz!«
»Oho, da ist heute jemand zur Abwechslung ganz bescheiden«, frotzelte Royston und zündete sich eine neue Zigarette an. »Aberdenkt doch mal dran, was wir alles zu erzählen haben, wenn wir wieder zu Hause sind. Angefangen von unserem Plumpudding à la soudanaise zu Weihnachten in Korti«, er lachte, als Simon ein würgendes Geräusch von sich gab, »und dem schwungvoll getrommelten Weihnachtskonzert auf den Packkisten am Lagerfeuer in der Wüste. So ein Weihnachten werden wir alle so bald nicht mehr erleben!«
»Oder als dir dein Kamel abgehauen ist und du ihm eine Dreiviertelmeile hinterhergerannt bist«, zog Simon ihn auf, was Royston mit einer gespielt gekränkten Miene und mit beleidigt vor der Brust verschränkten Armen beantwortete.
»Nicht zu vergessen«, Leonard beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern, »Brigadekommandeur Buller, der darauf bestanden hat, einen Vorrat an Veuve Clicquot mit in die Wüste zu nehmen!«
Die fünf brachen in Gelächter aus, das viel zu schnell wieder abebbte. Die arglose Heiterkeit, mit der sie damals in Ägypten angekommen waren, war zerschlissen unter den Strapazen des Krieges. Wann immer sie noch aufflackerte unter den fünfen, brachte sie die Erinnerung zurück an sorglosere Zeiten und die Hoffnung auf ein Morgen, an dem das alles hier hinter ihnen lag.
»Ist es euch auch so gegangen«, ließ sich Stephen vernehmen, als wieder Stille eingekehrt war, »dass euch der Weg durch die Wüste viel länger vorkam als nur vier Tage? Wie eine halbe Ewigkeit?«
»Mhm«, machte Royston und zog an seiner Zigarette, »ja, wie mehrere Wochen. Ich bin ein paar Mal eingenickt unterwegs, weil es so eintönig war und nur zäh vorwärtsging. Ein Kamel«, er ließ den Kopf zur Seite hängen und wackelte damit, als wäre sein Hals aus elastischem Gummi, um den Schaukelgang der Tiere nachzuahmen, und erntete damit leises Gelächter, »ist nun einmal kein rassiges Rennpferd. Nicht einmal ein tapferes Schlachtross. Hätten wir nicht alle halbe Stunde anhalten müssen, weil die Lastkamele sich in den Leinen verfangen hatten, dannwäre ich über kurz oder lang im Tiefschlaf aus dem Sattel gepurzelt.«
Simons Kopf ruckte hoch. »Heute ist doch der vierzehnte, oder?« Als die anderen bestätigend nickten, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Seine grauen Augen schimmerten hell und blickten weit, weit hinaus in die Ferne. »Heute in zwei Monaten ist Adas Geburtstag«, flüsterte er. »Dann ist sie mündig, so wie ich.«
Simons einundzwanzigster Geburtstag lag fast ein Jahr zurück. Ende Januar hatten sie ihn in Cairo ausgiebig gefeiert, so wie auch Stephens Volljährigkeit im Oktober zuvor.
»Dir ist schon klar«, warf Letzterer nun ein, mit einem kumpelhaften Grinsen, das jeden Moment ins Zynische abzugleiten drohte, »dass du trotzdem an meinem alten Herrn vorbeimusst?«
»Ach«, kam es von Simon, der siegesgewiss grinste. »Wenn wir Khartoum erst eingenommen haben, dann sind wir Helden. Dann kann selbst der Colonel nicht mehr Nein sag–«
Das Signalhorn, das die Männer dazu aufrief, sich für den Abmarsch bereitzumachen, unterbrach ihn. Hastig standen sie auf, traten ihre Zigarettenstummel auf dem Boden aus und marschierten los. Royston rauchte im Gehen noch die letzten Züge, und Simon hielt ihn am Ärmel fest.
»Royston, einen Moment noch ...« Er wartete, bis die anderen einige Schritte Vorsprung hatten, dann fuhr er fort: »Ich wollt’ dich was fragen – oder dich vielmehr um etwas bitten.« Simons Züge waren in
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