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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Reservewaffen.« Erleichtert atmete er aus. Ein dankbares Lächeln flatterte über sein Gesicht.
    »Bravo«, ließ Royston sich vernehmen. Er saß im Schneidersitz auf dem Rasen und notierte sich wichtige Stichworte auf ein Blatt Papier, das er auf die Seiten des Lehrbuchs in seinem Schoß gelegt hatte. »Solange unser Mr Danvers dir nun nicht darlegt, welche Mängel das Karree seiner Expertenmeinung nach aufweist ... Damit wirst du nämlich in der Prüfung keine zusätzlichen Punkte einheimsen können.«
    Jeremys ironischen Blick beantwortete Royston mit einem Grinsen.
    »Das Karree ist unschlagbar«, meinte Leonard, der sich auf dem Rasen ausgestreckt hatte und auf einem Grashalm herumkaute, als wäre er bei einem Picknick.
    »Nur solange die Wucht des Angriffs berechenbar bleibt«, hielt Jeremy dagegen. »Ist der Ansturm zu heftig, besteht die Gefahr, dass das Karree zerfällt und ein Chaos entsteht.«
    Leonard lachte. »Kein Soldat der Welt ist so ein Idiot, dass er sich oder sein Pferd sehenden Auges in die vorgereckten Bajonette stürzt! Welche Armee sollte einen derart wahnwitzigen Angriff wagen?«
    »Keine Ahnung«, entgegnete Jeremy mit der Andeutung eines Schulterzuckens.
    »Im Ernst.« Leonard richtete sich auf dem angewinkelten Unterarm auf, nahm den Grashalm aus dem Mund und wies damit in Jeremys Richtung. »Nenn mir einen Fall aus all den Schlachten, mit denen wir uns beschäftigt haben, in dem sich diese Formation nicht bewährt hätte. Einen, Jeremy, nur einen!«
    Ein erneutes Schulterzucken, und Jeremy hieb den Absatz in ein Fleckchen kahlen Untergrunds zwischen den Grasbüscheln.»Nur weil es bis jetzt nicht vorgekommen ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht doch einmal geschehen könnte. Keiner weiß heute, gegen wen es morgen oder übermorgen in den Krieg gehen wird. Und wenn man die Schwächen in der eigenen Taktik kennt, kann man für alles gerüstet sein und entsprechende Alternativen parat haben.«
    »Ich geb’s auf«, seufzte Simon. Geraume Zeit hatte er immer auf die gleiche Seite gestarrt, ohne auch nur eine Zeile davon aufzunehmen. Mit einem Knall klappte er das Buch zu und ließ es neben sich auf den Boden fallen. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, warf er sich auf den Rücken. »Sagt mal – habt ihr euch auch schon gefragt, wo wir heute in einem Jahr sein werden? Oder in fünf?«
    »Ich frage mich eher, wer dann gerade deine Herzdame sein wird«, neckte Leonard ihn.
    Simons Augen blieben unverwandt auf den klarblauen Himmel gerichtet, über den flauschige Wolkeninseln segelten, und verträumt erwiderte er: »Es wird die Gleiche sein wie heute. Es wird immer die Gleiche sein. Für den Rest meines Lebens. Immer nur sie.«
    Unter hochgezogenen Brauen warf Leonard einen vielsagenden Blick in die Runde, die mit leisem Gelächter antwortete.
    »Wisst ihr«, Royston legte Buch und Notizen beiseite, stützte sich nach hinten auf beide Ellenbogen und streckte die Beine aus, »eigentlich ist es nicht zum Aushalten mit euch! Aber auch wenn es eigentlich unter meiner Würde ist, das zuzugeben: Ich werde euch Knallköpfe wirklich vermissen.«
    Betretenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Royston hatte ausgesprochen, was ihnen allmählich bewusst wurde: dass ihre gemeinsamen Tage gezählt waren. Mit einem Mal durchzog die Kühle eines nahen Abschieds die warme Juniluft.
    Im Heeresministerium in London würden nicht nur ihre Klausuren korrigiert und bewertet werden. Sobald die Ergebnisse feststanden, würde man dort die einzelnen Absolventen auf dieals vakant gemeldeten Offiziersstellen verteilen. Wer auf der Liste mit den erreichten Punktzahlen ganz oben stand, kam als Erster an die Reihe und hatte Aussicht auf einen der besten Posten, in einem ehrenvollen Regiment und mit guten Aussichten auf eine Beförderung. Wer am unteren Rand hängen blieb, musste damit rechnen, leer auszugehen, und wer durchfiel, musste mit schamgesenktem Haupt nach Hause zurückkehren.
    Dass sie alle fünf demselben Regiment unterstellt würden, lag jenseits aller Wahrscheinlichkeiten, trotz aller Gerüchte, die jüngst beschlossene Heeresreform würde einen erhöhten Bedarf an Nachwuchsoffizieren zur Folge haben. Eine Tatsache, vor der Jeremy, Stephen, Leonard, Royston und Simon die Augen verschließen wollten, solange es ihnen möglich war.
    »Sentimental können wir noch sein, wenn wir bestanden haben«, brach Jeremy schließlich das Schweigen, griff erneut zu seinem Lehrbuch und schlug es auf.

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