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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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durch die Einfahrt, verklangen zwischen den Feldern und Eichen auf der Straße hinter dem Haus.
    »Lassen wir ihnen nicht doch zu viele Freiheiten?« Noch immer waren die Augen des Colonels auf die Mauerecke gerichtet, hinter der die beiden Wagen verschwunden waren.
    »Hast du unsere allererste Ausfahrt vergessen?« Constance Norbury, die ihren Kindern und deren Freunden nachgewunken hatte, bis sie nicht mehr zu sehen gewesen waren, hakte sich beiihrem Mann unter und legte die Wange an seine Schulter, sah ihn von unten herauf an. »Wir beide, in einem offenen Wagen, am Ufer des Hooghly entlang, bis vor die Stadt? Nur wir beide – ohne Begleitung?«
    »Das war etwas anderes«, widersprach er dürr. Nur dass die Farbe seiner Iris sich von Eishell zu einem Meerblau wandelte, verriet, wie gern er daran zurückdachte. Seine Augen – es waren seine Augen gewesen, die Constance damals als Erstes aufgefallen waren, im Lazarett von Calcutta. Noch ehe sie ihn selbst wahrnahm, gezeichnet von den sechzehn Monaten, in denen er mit seinem Regiment dreitausend Meilen durch Wildnis und Wüste marschiert war und auf diesem mörderischen Weg vierzehn Gefechte mit den Rebellen überstand, von denen das letzte ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Eine wilde Entschlossenheit hatte in diesen Augen gebrannt, ein stählerner Wille; auch eine Widerspiegelung der Schmerzen, die er litt, aber nie das leiseste Aufflackern von Angst, wie sie es so oft in den Augen all der anderen Verwundeten gesehen hatte. Aus der Neugierde auf jenen Mann war Zuneigung geworden und dann, als er sie zu umwerben begann, irgendwann Liebe.
    Sie lächelte. »War es nicht. Mein Vater war außer sich, als er davon hörte.«
    »Nur so lange, bis ich in aller Form um deine Hand anhielt.« Er legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich.
    Ihr Blick ruhte in stillem Glück auf seinen harten Zügen, dann legte sie ihm besänftigend die Hand auf die Brust. »Sei unbesorgt. Sie sind doch alle sehr vernünftig, trotz ihrer Ausgelassenheit.«
    Die Augen des Colonels verengten sich. »Grace und Stephen – ja. Auch Leonard und Cecily. Sogar Danvers. Aber Ashcombe und Digby-Jones ... Letzterer vor allem hat nichts als Unfug im Kopf.« Er zögerte und setzte dann hinzu: »Mir gefällt nicht, wie er Ada ansieht.«
    Constance lachte leise und stupste ihn sanft in die Seite. »IhrVäter seid doch alle gleich ... Kannst du denn kein bisschen stolz darauf sein, dass unser hübsches kleines Mädchen seinen ersten Verehrer hat?«
    »Dein seliger Herr Vater hätte unserer Heirat wohl kaum zugestimmt, wäre mir ein Ruf wie der von Digby-Jones vorausgeeilt.«
    »So dramatisch?«
    Der Colonel nickte bedächtig, die Mundwinkel unter dem Bart herabgezogen. »Sein Sündenregister ist recht umfangreich. Respektloses Verhalten diensthabenden Offizieren gegenüber, Raufereien, diverse Versäumnisse und Trunkenheit – er hat nichts ausgelassen. Zweimal war er im Arrest, und im Frühjahr ist er haarscharf an einem Rauswurf vorbeigeschrammt. Von seinen Eroberungen im Dorf gar nicht erst zu reden.«
    Constance schwieg und dachte nach, ehe sie behutsam einwandte: »Vielleicht ist es aber gar nicht so verkehrt, wenn er sich jetzt schon ausgetobt hat. Und Simon ist kein schlechter Kerl – hast du seine Augen gesehen? Im Grunde ist er sehr empfindsam.«
    Der Colonel schnaubte. »Ein Grund mehr, weshalb er für Ada nicht taugt!«
    »Himmel, William!« Sie lachte auf. »Weder Ada noch Simon werden derzeit an Hochzeit denken! Dafür sind sie beide noch viel zu jung.«
    »Umso schlimmer«, orakelte er düster.
    Ihre Finger strichen behutsam über das Revers seines Jacketts. »Du weißt aber, was du Stephen versprochen hast? Wenn er unter die ersten zwanzig kommt ...«
    »... dann dürfen Danvers und Digby-Jones den Rest des Sommers hier bei uns verbringen, ja. Und ich gedenke, zu meinem Wort zu stehen.«
    Wie du es immer getan hast und wie du es immer tun wirst, ging es Constance durch den Kopf, voller Stolz und Liebe für diesen Mann, dessen Leben sie teilte. Nicht einen Augenblick inall diesen Jahren hatte sie sich der trügerischen Vorstellung hingegeben, doch noch eine Spur von Weichherzigkeit in ihm zu entdecken. Männer vom Schlage eines William Lynton Norbury hatten kein weiches Herz, sie wurden allenfalls milder im Alter, so wie ihr Vater, der General. Was William ihr an Liebe gab, war eine hitzige Leidenschaft, die ihr heute noch zuweilen den Atem nahm, und sie wusste, dass er mit

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