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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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rief Royston mit mahnend erhobenem Korkenzieher. »Mit dem Essen spielt man nicht, gnädiges Fräulein! «
    Grace lachte, und die Erdbeere verschwand in ihrem Mund.
    »Meine Mutter hat es mir beigebracht«, erzählte sie Jeremy kauend. Wie die anderen hielt sie ihren Becher, der zuvor noch mit unschuldiger Zitronenlimonade gefüllt gewesen war, Royston hin. »Und die wiederum hat es von meinem Großvater gelernt. Der fand nämlich, im wilden Bengalen müsse eine Generalstochter für jedweden Notfall gerüstet sein.«
    »So gesehen ist es fast schade, dass aus dir kein Junge geworden ist.« Das betrübte Gesicht, das Royston zog, während er sich selbst zuletzt einschenkte, bezog sich allerdings offenbar mehr auf den spärlichen Rest des Weins, der ihm noch geblieben war. Seufzend streckte er sich auf der Decke aus und bettete sein Haupt in Cecilys Schoß.
    »Was wäre das doch für eine ungeheure Verschwendung gewesen«, kam es erheitert von Leonard, »und was für ein herber Verlust für die Männerwelt!« Mit seiner Stiefelspitze stupste er Cecily gegen die Hüfte, und sie drehte sich mit entrüsteter Miene zu ihm um. »Wolltest du Grace nicht noch etwas geben?«
    »Mmhh«, machte Cecily und schlug sich theatralisch vor die Stirn, gab dann Royston ihren Becher und suchte in ihrer Tasche. »Das hätte ich fast vergessen!«
    Grace legte den Kopf in den Nacken und lachte über dieses lieb gewordene Ritual, jedes Jahr an Mittsommer, solange sie zurückdenken konnte. Schließlich zog Cecily eine längliche, mit Schleifenband verschnürte Schachtel hervor, die sie ihrer Freundin hinhielt. »Mit den allerbesten Glückwünschen der ganzen Familie Hainsworth!«
    »Danke«, antwortete Grace glücklich, als sie die Hand danach ausstreckte. Leonard kam ihr zuvor, schnappte sich die Schachtel und sprang auf, Schalk im Blick und überschießende Fröhlichkeit auf dem Gesicht. Gladdy, der die triefende Schnauze zwischen den Pfoten vergraben hatte, löste seinen Blick von den vor ihm ausgebreiteten Köstlichkeiten und hob aufmerksam den Kopf.
    Grace verharrte zögernd auf ihrem Platz, teils weil sie sich zu erwachsen fühlte für dieses alte Spiel, teils weil sich etwas in ihr dagegen sträubte. Seit jenem Abend auf Givons Grove fühlte sie sich in Leonards Gegenwart befangen, witterte in seinen Blicken, in jeder Bemerkung von ihm das, was an jenem Abend unausgesprochen geblieben war.
    Ihre Neugierde gewann jedoch die Oberhand; mit einem Funkeln in den Augen schnellte sie hoch. Einen vergnügt kläffenden Gladdy neben sich, rannte sie hinter Leonard her. Immer wieder blieb er stehen und drehte sich lachend zu ihr um, winkte herausfordernd mit der Schachtel und lief unter halb neckenden, halb lockenden Rufen weiter, durch die Wiesen, in Richtung der Rapsfelder, die weithin leuchteten wie Bahnen, die eine Himmelshand aus der Sonne geschnitten und auf der Erde ausgelegt hatte.
    »Gib her, Len!« Lachend haschte sie nach ihrem Geschenk, erwischte Leonard immer einmal wieder für einen flüchtigen Moment am Ärmel, versuchte, ihm im Lauf ein Bein zu stellen. Und wie früher war Leonard immer eine Spur schneller und stärker, bis er sie bei der Hand ergriff, sie schwungvoll zu sich heranzog und ihr die Schachtel kampflos überreichte. »Alles Liebe zum Geburtstag, Grace!«
    »Oh – Len!«, entfuhr es Grace, als sie die Schleife aufgezogen hatte und den Deckel hob.
    »Gefällt es dir nicht?« Er klang enttäuscht.
    »Es ist wunderschön«, hauchte sie und strich mit dem kleinen Finger über das Armband. Jedes Glied, in dunkles Gold eingefasst, bestand aus einem Stein, der in den warmen Farbtönen eines Sonnenuntergangs glühte und griechische Göttinnen als cremehelle Reliefs herausgearbeitet hatte. »Aber das ist doch viel zu wertvoll!«
    »Es ist genau richtig für dich«, widersprach er leise. »Mutter, Sis und ich haben es aus unserem Familienschmuck für dich ausgesucht.« Er nahm es heraus und schlang es um ihren Unterarm. Stein und Metall fühlten sich erstaunlich warm an auf ihrer Haut, lebendig beinahe, und ein wohliger Schauer durchrann Grace.
    »Len«, begann sie, während sie nach den richtigen Worten suchte. »Neulich, an dem Wochenende auf Givons Grove ... als wir beide im Garten waren ...« Ohne aufzublicken, hielt er inne, und eine leichte Röte zeichnete sich auf seinen Wangen ab, als er den Verschluss zuschnappen ließ. »Siehst du – es ist wie für dich gemacht!«
    »Len ...«
    Die Stirn mit der Hand beschattend,

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