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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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dann sich selbst.
    Jeremy sog den Rauch ein und blies ihn dann aus. »Bleibt wohl nicht aus, wenn man sich in dunklen Ecken herumdrückt wie wir zwei.« Er kratzte sich mit dem Daumennagel einen Tabakkrümel von der Unterlippe. »Du solltest dich allerdings endlich entscheiden, ob du Becky nun willst oder nicht. Anstatt einen Schritt auf sie zuzugehen und dann wieder davonzulaufen.«
    »Wenn das nur so einfach wäre«, murmelte Stephen, winkelte ein Bein an und stützte sich mit dem Fuß an der Terrassenwand ab. Seine zaghaften Versuche, sich Becky ein wenig anzunähern, um Klarheit zu erlangen, was er wirklich für sie empfand, wurden von ihr mit einer solchen Überschwänglichkeit erwidert, dass er in ihrer Gegenwart nach Luft zu ringen begann. Doch sobald er eine Weile allein war, fehlte ihm Becky mit ihrem fröhlichen Geplapper, ihrem sprudelnden Gelächter und ihren seelenvollen Blicken.
    Stephen legte den Kopf zurück und lehnte ihn an die Balustrade. »Hast du immer genau gewusst, was du willst?«
    Jeremy blieb für einige Züge lang stumm. »Ja«, sagte er dann. »Immer.« Er stieß den Rauch heftig aus. »Nicht immer sofort, das nicht. Aber nach einiger Zeit schon.«
    Stephen heftete den Blick auf seinen Freund. »Auch bei Grace?«
    »Ja. Auch bei Grace.« Etwas Behutsames, fast schon Zerbrechliches schwang in Jeremys Stimme mit, und es kam Stephen so vor, als wäre Jeremy auf eine ganz neue Weise mit sich im Reinen.
    Schweigend rauchten sie ihre Zigarette zu Ende und traten sie auf dem Kies aus.
    »Jeremy«, sagte Stephen dann, die Hände in den Hosentaschen vergraben. »Versteh mich nicht falsch ... Aber hat Len recht? Gibt es etwas, das Grace über dich wissen sollte?«
    Jeremys Schultern hoben sich in seiner Frackjacke. »Da gibt es bestimmt das eine oder andere ... Falls es dich jedoch beruhigt: Ich habe Grace gegenüber ein reines Gewissen. Genügt dir das als Antwort?«
    Im Grunde kannte Stephen Jeremy nicht besonders gut, nicht so gut wie Royston oder wie Leonard. Trotzdem kam es ihm so vor, als bestünde zwischen ihm und Jeremy ein besonderes Band. Wenn er es recht bedachte, wäre ihm Jeremy als Schwager sogar lieber gewesen als Leonard.
    »Ja, das genügt mir«, erwiderte er schließlich.
    »Würdest du mir Grace dann morgen für ein paar Stunden anvertrauen? Unter vier Augen?«
    »Natürlich«, kam Stephens Antwort ohne Zögern, und trotzdem fasste er nach. »Verrätst du mir, was du vorhast?«
    Jeremy atmete tief durch und sah in die Nacht hinaus. »Nichts Unehrenhaftes, das kann ich dir versprechen.« Leiser fügte er hinzu: »Und das einzig Richtige. Hoffe ich.«

15
    Der Rausch der Nacht wirkte fort bis in den nächsten Tag, wenn er auch eine leichtere, eine erfrischendere Beschaffenheit erhielt. Nach einem späten Frühstück versammelten sich Familie und Freunde auf der Terrasse und auf dem Rasen zu einem geselligen Beisammensein bis zur Teestunde, mit der dieses Wochenende sanft ausklingen würde.
    Lady Evelyn sah mit wachsender Besorgnis zu, wie Roderick mit unverhohlenem Enthusiasmus Helen Dunmore hofierte, was diese mit einer kühlschultrigen Unnahbarkeit honorierte, die durchblicken ließ, dass sie sein Werben durchaus huldvoll anerkannte. Trotz der bevorstehenden Verbindung der Ashcombes mit den Hainsworths stellte Miss Dunmore in Lady Evelyns Augen keineswegs eine akzeptable Partie für ihren Jüngsten dar, und sie wurde von Schreckensbildern heimgesucht, in denen sie sich an ihrem Lebensabend von einer Horde plärrender und rotznasiger Enkel belagert sah, allesamt geisterbleich und mit gesprenkelter Haut – und vor allem mit dem brandroten Haar, das Lady Evelyn an Helen Dunmore so entsetzlich gewöhnlich fand.
    Lord Ashcombe zeigte unterdessen Lord Grantham voller Stolz die sattgelben Blüten des Christusdorns, den er am Rand der Terrasse hatte pflanzen lassen, worauf sich zwischen ihnen ein fachkundiges Gespräch über ihrer beider Anwesen und die bevorstehende Jagdsaison entspann, und Leonards Onkel Major Oliver Hainsworth ließ es sich nicht nehmen, seinen Neffeneinmal mehr an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben zu lassen – und für den Fall, dass auch Tommy dereinst diesen Weg einzuschlagen gedachte, bezog er den Jungen gleich mit ein; die Art, wie dieser jedoch dabei mit glasigen Augen Löcher in die Luft starrte, verriet, dass er allenfalls mäßiges Interesse dafür aufbrachte.
    Wie ein herber Likör, der unter eine Süßspeise gerührt wird, sickerte die Gewissheit

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