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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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den feierlichen Reden zu Ehren des Verlobungspaares drängten sich die Gäste im Ballsaal des Hauses. Den Tag über hatte sich die dampfige Luft am Flussufer weiter aufgeheizt, und unter der funkelnd besetzten tintenschwarzen Himmelsseide regte sich kein Lüftchen. Selbst der Fluss schien ermattet ins Stocken geraten.
    Der überschäumenden Feierlaune vor allem der Jüngeren unter den Gästen tat dies jedoch keinen Abbruch. In ihrem Feststaat drehten sie sich zu den Melodien des Orchesters wie die schillernden Glassteine in einem Kaleidoskop.
    »Ich weiß wahrhaftig nicht, was er an ihr findet«, sagte Helen Dunmore abfällig und fächelte sich das glühende Gesicht. »Ich hätte ihm einen besseren Geschmack zugetraut.«
    »Wem denn?« Der Honourable Roderick Ashcombe sah sich um.
    »Dort drüben.« Miss Dunmores japanischer, mit Kirschblütenzweigen bemalter Fächer wies ihm die Richtung. »Simon. Digby. Jones.«
    Er blickte hinüber zu Simon und zu Ada in ihrem blassrosaSeidenkleid. Dem sehnsüchtigen Ausdruck auf ihrem Gesicht nach zu urteilen, war es ihr eine Qual, heute Abend nicht mittanzen zu dürfen.
    »Mir ist ohnehin unbegreiflich, was alle an diesen Norbury-Mädchen finden«, mokierte sich Miss Dunmore weiter. »Solche Landpomeranzen! In der Londoner Gesellschaft würde kein Hahn nach ihnen krähen.«
    Rodericks Blick fiel auf Grace, die gerade von seinem Schwager Henry von der Tanzfläche zurück an ihren Platz geführt wurde. Erhitzt von den schnellen Schritten und Drehungen, ging von ihr ein solches Leuchten aus, dass es sogar noch die funkelnde Stickerei ihrer Abendrobe überstrahlte.
    »Och«, gab Roderick bewundernd von sich und wand sich gleich darauf vor Verlegenheit unter Helen Dunmores Blick, der ihm zu verstehen gab, wie sehr sie ihn für einen Verräter hielt.
    »Ich fürchte, ich werde allmählich zu alt für diese Art von Vergnügungen.« Henry Basildon, der Earl of Basildon, schnitt eine Grimasse, die seinem geröteten Gesicht ungeachtet seines grau melierten Haares und des seriösen Backenbarts etwas Lausbübisches verlieh.
    Grace lachte. »Davon habe ich nicht das Geringste bemerkt, Lord Basildon.«
    »Das mag geschmeichelt sein, aber es bedeutet dennoch Balsam für meine Seele«, erwiderte er erheitert und verneigte sich vor Grace, die mit einem angedeuteten Knicks antwortete.
    »Du denkst doch nicht etwa daran, dich auszuruhen?« Roystons Schwester Lydia, mit knapp dreißig gut fünfzehn Jahre jünger als der Earl, hakte sich bei ihrem Gatten unter, der sich verstohlen mit dem Taschentuch über die schweißfeuchte Stirn tupfte.
    Roystons ältere Schwestern hatten zwar die grauen Augen, die alabasterhelle Haut und die klassischen Züge ihrer Mutter geerbt, doch mit dem braunen Haar der Ashcombes auch derenWarmherzigkeit und Humor, was sie zu einer ähnlich angenehmen Gesellschaft machte wie Royston.
    »Wehe mir!«, stöhnte Lord Basildon und schien dennoch keineswegs unglücklich, mit seiner Gattin auf die Tanzfläche zurückzukehren.
    Grace wandte sich halb um, als jemand sie am Arm fasste.
    »Rette mich, Grace – oder gib mir wenigstens Deckung!«, flüsterte Leonard ihr zu und verdrehte die Augen.
    »Vor wem?« Ihr Blick folgte dem seinen und fiel auf zwei junge Mädchen, kaum älter als Ada, die Leonard aus riesigen wasserblauen Augen anstarrten.
    Grace biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszulachen. »Ich gebe dir gerne Geleitschutz«, flüsterte sie ihm zu. »Solange du mich nicht zum Tanzen entführen willst.« Ihr cognacbraunes und grünes Kleid mit den Ornamenten aus Metallfäden, dasselbe, das sie im Mai auf Givons Grove zum ersten Mal getragen hatte, klebte ihr unangenehm am Rücken.
    »Magst du lieber an die frische Luft?«
    Grace nickte, und er zog sie mit sich fort, an den beiden Mädchen vorbei, deren Gesichter sich daraufhin enttäuscht in die Länge zogen. Leonard und Grace drückten sich zwischen den Gästen hindurch, auf die weit geöffneten Flügeltüren zu und nahmen sich noch zwei Gläser Champagner vom Tablett eines der livrierten Diener.
    Kaum hatten sie die Schwelle zur Terrasse überschritten, prustete Grace los. »Was war das denn bitte?«
    »Das?« Leonard trank einen großen Schluck und deutete dann mit seinem Glas hinter sich. »Das waren Myrtle und Myra, die heillos überspannten Cousinen von Royston!«
    Grace stellte ihr Glas auf der Brüstung der Terrasse ab und schwang sich selbst hinauf, bevor sie ihr Glas wieder in die eine Hand nahm und sich mit

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